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Hunderttausende gehen in Sudan auf die Strasse
Aus News-Clip vom 30.10.2021.
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Nach dem Militärputsch Wie nah ist Sudan einem Bürgerkrieg?

Hunderttausende Menschen haben in Sudan erneut gegen den Militärputsch von Anfang Woche protestiert. Sie fordern die Wiedereinsetzung der zivilen Übergangsregierung und die Rückkehr auf den Pfad der Demokratie. Laut dem Friedens- und Konfliktforscher Gerrit Kurtz haben General Abdel Fattah Al-Burhan und die Sicherheitskräfte die Macht der Strasse stark unterschätzt.

Gerrit Kurtz

Gerrit Kurtz

Friedens- und Konfliktforscher

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Dr. Gerrit Kurtz ist Friedens- und Konfliktforscher. Als Non-Resident Fellow beim Global Public Policy Institute, einem Think Tank in Berlin, arbeitetet er zu Konfliktprävention und Diplomatie in Afrika. Seine Forschung brachte ihn unter anderem nach Sudan, Südsudan und Äthiopien. Er berät die deutsche Bundesregierung, das Parlament und die Zivilgesellschaft in aussenpolitischen Fragen.

SRF: Die Demonstrationen scheinen zwar grossmehrheitlich friedlich zu verlaufen, dennoch hat der Putsch seit Anfang Woche mehrere Todesopfer gefordert. Mit wie harter Hand versucht das Militär, die Proteste zu unterdrücken?

Gerrit Kurtz: Die grösste Welle der Gewalt war gleich zu Beginn der Woche zu verzeichnen. Das Protestgeschehen hat sich seither verändert. Offensichtlich versucht das Militär zwar, die Proteste zu unterdrücken, doch es gelingt ihm nicht.

Audio
Im Sudan protestieren hunderttausende gegen den Putsch
aus Echo der Zeit vom 30.10.2021. Bild: Keystone-SDA
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Könnte es sein, dass das Militär Skrupel hat?

Ich kann mir vorstellen, dass die unteren Militärränge von der Fahne gehen könnten, sollte es zu allzu grosser Gewalt gegen die Protestierenden kommen. Das war bei den Demonstrationen 2019 der Fall.

Tote bei Massenprotesten

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Legende: Protestierende am Samstag in der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Keystone

Bei den Massenprotesten der Demokratie-Bewegung im Sudan gegen die Militärmachthaber hat es nach Angaben des nationalen Ärztekomitees Tote und Verletzte gegeben. Mindestens drei Zivilisten starben demnach am Samstag in der Stadt Omdurman durch Schüsse von Milizionären. Über Twitter teilte das Ärztegremium mit, die Toten hätten Schusswunden im Kopf- und Bauchbereich. Augenzeugen berichteten von einer grossen Beteiligung der Bevölkerung an den Protesten sowie auch von Barrikaden mit brennenden Autoreifen, wie die Nachrichtenagentur DPA berichtet.

Das in der Hauptstadt Khartum mit einem Grossaufgebot vertretene Militär hatte die meisten Brücken und wichtige Strassenkreuzungen blockiert. Im Staatsfernsehen erklärten Polizeivertreter am Abend, sie seien von einigen der Demonstranten angegriffen worden, hätten aber nur mit Tränengas und nicht mit scharfer Munition reagiert.

Das Militär hatte am Montag die Macht in dem nordostafrikanischen Land mit seinen 44 Millionen Einwohnern übernommen und damit international Protest und Empörung ausgelöst. Der Samstag war zu einem Nationalen Tag des Widerstands ausgerufen worden. Sowohl die Vereinten Nationen wie auch die Europäische Union (EU) mahnten das Militär zu Zurückhaltung. In den vergangenen Tagen hatte es immer wieder wütende Proteste Tausender Sudanesen gegeben.



Wenn es um Gewalt an Demonstrierenden geht, dann ist jeweils unweigerlich die Rede von den «Rapid Support Forces», kurz: RSF. Eine paramilitärische Einheit, die offenbar schon bei den Protesten vor zwei Jahren sehr gewaltsam vorging. Sind die RSF wieder im Einsatz?

Es gab Berichte diese Woche, dass die RSF zusammen mit dem Militär eine sehr starke Präsenz zeigten. Sie sollen für Sicherheit sorgen. Welche Einheiten für die Schüsse verantwortlich sind, ist bisher nicht bekannt. Klar ist, dass die RSF Teil des Putsches sind. Auffällig ist allerdings, dass der Führer der RSF, Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti, sich bisher nicht öffentlich geäussert hat, sondern nur General Abdel Fattah Al-Burhan, der Chef der Streitkräfte.

Was halten Sie von Spekulationen, Hemeti sei eigentlich der starke Mann im Hintergrund?

Hemeti ist schon die ganze Zeit ein starker Mann – und zwar nicht nur im Hintergrund. Er war bisher stellvertretender Vorsitzender des Souveränitätsrates. Jetzt, seit dem Putsch, scheint er etwas abzuwarten. Für ihn ist es sicherlich nicht schlecht, wenn die meiste Kritik an Al-Burhan geht. Das kann sich für Hemeti möglicherweise noch positiv auswirken.

Der neue Militärmachthaber General Al-Burhan hat angekündigt, er wolle innerhalb einer Woche einen neuen zivilen Regierungschef ernennen. Was ist von dieser Ankündigung zu halten?

Al-Burhan hat anscheinend versucht, den jetzigen Premierminister, Abdalla Hamdok, zu überzeugen, diese Rolle einzunehmen und dann ein anderes Kabinett zu ernennen.

Ganz offensichtlich will Al-Burhan eine zivile Regierung, die das tut, was er möchte.

Das hatte er auch schon vor dem Putsch versucht. Ganz offensichtlich will Al-Burhan eine zivile Regierung, die das tut, was er möchte und sich ihm und dem Militär unterordnet.

Al-Burhan sagt, er habe die Zivilregierung entfernt, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Wie nah war Sudan einem Bürgerkrieg vor dem Putsch – und wie nah jetzt?

Für die Behauptung, dass es so eine Bedrohung gegeben hätte, gibt es keinerlei Belege. Im Gegenteil: Es ist vielmehr dieser Putsch, der die Sicherheitslage massiv gefährdet, wenn das Militär über die nächsten Wochen und Monate an der Macht festhält. Ein Beispiel: Die zwei wichtigsten Rebellengruppen des Landes haben sich sehr kritisch über diesen Putsch geäussert. Sie verfügen über erhebliche Truppen, die grundsätzlich noch in verschiedenen Regionen Sudans vorhanden sind. Der Putsch gefährdet damit dort die Sicherheitssituation ganz konkret.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

Echo der Zeit, 30.10.2021, 18 Uhr;

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