Zum Inhalt springen

Nach Massenprotesten Bangladesch: Das sind die Herausforderungen der Interimsregierung

Nach wochenlangen Demonstrationen und dem Rücktritt von Regierungschefin Sheik Hasina hat in Bangladesch die Übergangsregierung übernommen. Unter Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus will sie das Land aus der Krise führen. SRF Südasien-Korrespondentin Maren Peters erklärt, was die grössten Herausforderungen sind und welche Rolle das Militär einnimmt.

Maren Peters

Südasien-Korrespondentin

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Maren Peters ist seit September 2022 Südasien-Korrespondentin für Radio SRF und berichtet von Indien aus über Afghanistan, Pakistan, Bangladesch, Sri Lanka, Nepal, Bhutan und die Malediven. Zuvor war sie Wirtschaftsredaktorin bei Radio SRF. Dabei beschäftigte sie sich insbesondere mit internationaler Wirtschafts- und Entwicklungspolitik sowie Nachhaltigkeits- und Rohstofffragen.

Wer sitzt in der neuen Übergangsregierung?

Die Übergangsregierung besteht – neben Chefberater Muhammad Yunus – aus 16 Mitgliedern. Sie ist sehr divers besetzt, eine Mischung aus jungen Reformkräften und viel Erfahrung: von Studentenführern über Frauen-, Umwelt- und Menschen­rechts­aktivistinnen hin zu Professoren, Staatsanwälten und früheren Diplomaten. Mit an Bord sind auch ein islamistischer Rechtsgelehrter und ein Vertreter der Hindu-Minderheit. Die diverse Zusammensetzung soll eine breite Unterstützung durch das Volk garantieren.

Welche Rolle spielt das Militär?

Das Militär spielt eine wichtige Rolle. Es verweigerte Ex-Premierministerin Sheikh Hasina die Unterstützung im Kampf gegen die Demonstrierenden und erzwang damit Hasinas Rücktritt. Es half auch, die Übergangsregierung zu bilden und ist an Entscheidungen beteiligt. Aber im Gegensatz zu früher, als immer wieder Militärregime die Macht übernahmen und Bangladesch mit harter Hand regierten, strebt das Militär aktuell offenbar keine aktive politische Rolle an, sondern hält sich im Hintergrund.

Mann in traditioneller Kleidung salutiert, umgeben von Militär- und Sicherheitskräften in einer Zeremonie.
Legende: Nobelpreisträger Muhammad Yunus bei seiner Vereidigung. Nach dem plötzlichen Rücktritt der Regierungschefin entstand ein Sicherheitsvakuum – dieses muss die Interimsregierung nun schliessen. REUTERS / Mohammad Ponir Hossain

Was sind die grössten Herausforderungen der neuen Regierung?

Die grösste Herausforderung ist es, Ordnung und Sicherheit im Land wiederherzustellen. Das ist schwierig, weil Teile der Polizei noch streiken, denn die Polizei ist loyal gegenüber dem alten Regime. Zudem muss Muhammad Yunus einen Weg für den Umgang mit den grossen Parteien finden. Diese sind nicht Teil der Übergangsregierung, haben aber zu viele Anhängerinnen und Anhänger, um sie zu ignorieren. Vor allem die Awami League von Sheikh Hasina steht für das alte, korrupte System. Die Reformer wollen es loswerden. Aber wenn die Parteien nicht einbezogen werden, drohen neue Aufstände.

Wie lange soll die Übergangsregierung regieren?

Die Verfassung schreibt Neuwahlen spätestens 90 Tage nach Auflösung des alten Parlaments vor. Die grösste Oppositionspartei Bangladesh National Party fordert Neuwahlen so schnell wie möglich, sie dürfte am stärksten davon profitieren. Die Übergangsregierung hat kein Interesse an schnellen Wahlen. Sie will zuerst demokratische Reformen auf den Weg bringen, inklusive der Garantie freier und fairer Wahlen. Das könnte allerdings deutlich länger als 90 Tage dauern.

Ermittlungen gegen Ex-Regierungschefin Hasina

Box aufklappen Box zuklappen

Nach den jüngsten Unruhen in Bangladesch drohen der früheren Regierungschefin Sheikh Hasina Ermittlungen wegen des Todes eines Teilnehmers an den Protesten im Land. Ein örtlicher Geschäftsmann habe eine Klage gegen Hasina sowie sechs andere Personen einschliesslich zweier ehemaliger Kabinettsmitglieder und hochrangiger Polizeibeamte beim Amtsgericht in der Hauptstadt Dhaka eingereicht, sagte der Anwalt Anwarul Islam. Darin werde Hasina beschuldigt, für den Tod des Ladenbesitzers Abu Sayeed am 19. Juli verantwortlich zu sein. Sayeed sei durch Schüsse von Polizisten tödlich getroffen worden, als diese gegen protestierende Studenten vorgegangen seien. Hasina habe das scharfe Vorgehen angeordnet. 

Nach den Angaben des Anwalts, der den Geschäftsmann Amir Hamza vertritt, akzeptierte das Gericht die Klage und wies die Polizeibehörde an, gegen Hasina und die anderen Beschuldigten zu ermitteln. Hamza selbst war nach Berichten bangladeschischer Zeitungen nicht mit Sayeed verwandt. Er habe sich aus eigenem Antrieb an das Gericht gewandt. Es sei das erste Mal seit Hasinas Flucht aus ihrer Heimat Anfang August, dass gegen die frühere Ministerpräsidentin ermittelt werde.

Echo der Zeit, 12.08.2024, 18 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel