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Nach Russlands Waffentest «Es wird immer kritischer, je mehr Weltraumschrott unterwegs ist»

Russland hat bei einem Test einen eigenen Satelliten mit einer Rakete abgeschossen. Dabei sind laut USA rund 1500 Trümmer entstanden, die andere Satelliten und Astronautinnen und Astronauten gefährden könnten. Sabine Klinkner, Professorin und Ingenieurin für Raumfahrt an der Uni Stuttgart, sagt, wie gefährlich Weltraumschrott an sich ist.

Sabine Klinkner

Raumfahrtspezialistin

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Klinkner ist Ingenieurin und Professorin für Satellitentechnik am Institut für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart.

SRF News: Russland hat eine Waffe getestet und einen eigenen Satelliten abgeschossen. Wie schwierig ist es zu berechnen, wo Trümmer hinfliegen?

Sabine Klinkner: Die Simulationen können zumindest für die nächsten Stunden und die nächsten Tage relativ genaue Vorhersagen machen. Das Schwierige ist tatsächlich die langfristige Problematik.

Man kann heute noch nicht vorhersagen, ob es in fünf, in zehn oder in 20 Jahren eine Kollision geben wird.
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Dadurch, dass die Teile im Orbit bleiben, müssen wir sie stetig beobachten. Man kann heute noch nicht vorhersagen, ob es in fünf, in zehn oder in 20 Jahren eine Kollision geben wird.

Waffentests haben schon in der Vergangenheit zu Weltraumschrott geführt. Zuletzt 2019, als ein indischer Raketentest laut NASA die ISS bedrohte. Werden solche Waffentests zur Gefahr für die Sicherheit im Weltraum?

In jedem Fall. Weltraumschrott führt dazu, dass funktionstüchtige oder auch nicht mehr funktionstüchtige Satelliten getroffen werden und es zu einer neuen Entstehung von Weltraumschrott kommt. Und dann tritt der sogenannte Kessler-Effekt ein, dass gewisse Bereiche im Orbit nicht mehr nutzbar sind.

Was ist der Kessler-Effekt?

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Wenn ein paar Weltraumschrott-Teilchen auf Satelliten treffen, zerbrechen diese in viele Bruchstücke. Diese Stücke sind mit sehr hoher Geschwindigkeit unterwegs. Entsprechend besteht das Risiko, dass sie wiederum auf Satelliten treffen, die zu Weltraumschrott werden oder Partikel ablösen und viele Partikel entstehen. Irgendwann gibt es so viele Schrottteilchen in einem Orbit, dass es unmöglich wird, dort einen Satelliten zu haben. Denn dieser würde sofort von diesen Teilchen getroffen.

Wie gefährlich können Trümmer für Satelliten sein?

Dadurch, dass die Teile auf Höhen im Orbit sind, wo kein Einfluss durch die Restatmosphäre besteht, sind die Langzeitfolgen schwer vorhersehbar.

Letztlich gibt es Satelliten, die nicht ausweichen können, sei es, weil sie nicht funktionsfähig sind oder weil sie keinen Antrieb haben.
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Wir haben gewisse Störungen auf ihren Bahnen, sodass wir sie nicht auf ewig vorhersagen können. Letztendlich gibt es Satelliten, die nicht ausweichen können, sei es, weil sie nicht funktionsfähig sind oder keinen Antrieb haben.

Das heisst, es ist eine potenziell unberechenbare Gefahr. Was bedeutet das für zukünftige Weltraummissionen?

Bei zukünftigen Weltraummissionen müssen wir vorsehen, dass wir eine gewisse Anzahl von Ausweichmanövern fliegen, weil Weltraumschrott-Teilchen mit den Satelliten zu kollidieren drohen. Und das bedeutet mehr Aufwand, mehr Kosten und eine höhere Zuverlässigkeit. Diese muss auch gewährleistet sein, damit diese Ausweichmanöver auf jeden Fall bis ans Missionsende so stattfinden können. Es wird immer kritischer, je mehr Weltraumschrott unterwegs ist.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

SRF 4 News, 17.11.2021, 06:20 Uhr ; 

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