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Nach Streit mit Israel Polen lässt Visegrad-Gipfel platzen

  • Polen hat seine Teilnahme am Visegrad-Gipfel in Israel abgesagt.
  • Der Gipfel findet damit nicht statt.
  • Grund ist ein Streit zwischen Israel und Polen um Aussagen zum Zweiten Weltkrieg.

Der Gipfel werde unter Umständen zu einem späteren Zeitpunkt in der zweiten Jahreshälfte nachgeholt, sagte der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis am Montag.

Streit zwischen Polen und Israel

Polen hatte nach Äusserungen des neu ernannten israelischen Aussenministers Israel Katz seine Teilnahme am Gipfel der Visegrad-Staaten in Israel abgesagt. Hintergrund ist ein Streit zwischen beiden Ländern darüber, ob Polen während des Zweiten Weltkrieges mit den NS-Besatzern kollaboriert hat.

Israelischer Aussenminister Israel Katz
Legende: Er sorgte mit seinen Äusserungen bei Polens Regierung für Ärger: Der neue israelische Aussenminister Israel Katz. Keystone

Katz hatte im Fernsehen gesagt, es habe im Zweiten Weltkrieg viele Polen gegeben, die mit den Nazis zusammengearbeitet hätten. Zudem zitierte er eine Aussage des früheren israelischen Regierungschefs Izchak Schamir, wonach die Polen Antisemitismus mit der Muttermilch aufgesogen hätten.

Bilaterale Gespräche

In Israel sollen nun ausschliesslich bilaterale Gespräche stattfinden. Der slowakische Regierungschef Peter Pellegrini und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban seien bereits vor Ort, sagte der tschechische Ministerpräsident Babis. Zu den Visegrad-Staaten gehören neben Tschechien und Polen auch Ungarn und die Slowakei.

Konflikt schwelte bereits

Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki hatte seinen persönlichen Besuch für das Visegrad-Treffen bereits zuvor kurzfristig abgesagt. Grund waren Aussagen des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zur Kollaboration von Polen mit Nationalsozialisten.

Statt Morawiecki sollte Aussenminister Jacek Czaputowicz nach Israel reisen. Doch auch dieser wird die Reise nun nicht antreten.

SRF-Korrespondentin Sarah Nowotny zu Polens Absage

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Polens Regierung reagiert empfindlich auf die israelischen Antisemitismus-Vorwürfe. Denn sie ist unter anderem angetreten, um Polen seinen Stolz zurückzugeben, dem Land mehr Anerkennung in der Welt zu geben.

Das ist eine Wohltat für viele Polinnen und Polen, denn Polen war ja tatsächlich Opfer, war jahrhundertelang unter fremden Mächten, hat das Morden der Nazis erlebt und die Herrschaft der Sowjetunion. Einige Polen aber waren eben auch Täter. Und das verschweigt die Regierung bei ihrem Versuch, die Geschichte der Nation in weissem Licht erscheinen zu lassen.

Ironischerweise ist diese Art der Geschichtsschreibung eine Fortführung einer kommunistischen Tradition, obwohl die Regierung die Kommunisten so sehr hasst. Denn auch unter den Kommunisten wurde kaum über polnischen Antisemitismus gesprochen. Auch damals sollten die Polen vor allem als Opfer der Nazis erscheinen, die von den Russen befreit wurden, nicht als Täter.

Mit dem Überfall Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 hatte der Zweite Weltkrieg begonnen.

Neues Gesetz in Kraft

Seit knapp einem Jahr gilt in Polen ein neues Gesetz. Der polnischen Nation eine Verantwortung für die von Nazi-Deutschland begangenen Verbrechen zuzuschreiben, steht damit unter Geldstrafe. Ursprünglich waren drei Jahre Haft vorgesehen für jene, die beispielsweise den Begriff «polnische Konzentrationslager» verwenden. Dieser Passus wurde schliesslich aus dem Gesetz gestrichen – auch weil die Empörung in Israel so gross war.

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