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Nahost-Konflikt Militäreinsatz in Dschenin beendet – Einwohner kehren zurück

  • Das israelische Militär hat den Einsatz im Westjordanland beendet.
  • Viele Einwohnerinnen und Einwohner kehren nun in ihre Häuser zurück.
  • Erste israelische Soldaten verliessen bereits am späten Dienstagabend die Stadt Dschenin.
Menschen in Dschenin
Legende: Der palästinensischen Nachrichtenagentur zufolge sucht der Zivilschutz derweil nach explosiven Überresten des Einsatzes und überprüft Häuser und Strassen in Dschenin auf Schäden. Keystone/AP Photo/Majdi Mohammed

Das Militär sei zu seinen «Routineaktivitäten» im Westjordanland zurückgekehrt, erklärte die Armee auf Anfrage der DPA.

In der Nacht auf Mittwoch war es während des Abzugs der Truppen zu Gefechten mit bewaffneten Einwohnern Dschenins gekommen. Auf israelischer Seite starb ein Soldat, auf der Gegenseite wurden mindestens zwölf Palästinenser getötet und mehr als 100 verletzt.

Zudem ist im Grenzgebiet des Gazastreifens ein zweiter Konfliktherd entstanden. Aus der abgeschotteten Küstenzone flogen in der Nacht erstmals seit Mai wieder Raketen Richtung Israel, die nach Angaben der dortigen Streitkräfte abgefangen und mit Luftangriffen erwidert wurden.

«Terroristische Infrastruktur» zerschlagen

Israels Armee war am Montag nach flankierenden Luftangriffen mit rund tausend Soldaten in Dschenin eingerückt. Es war der grösste Militäreinsatz im besetzten Westjordanland seit zwei Jahrzehnten. Ziel der Operation «Heim und Garten» war laut Armee, «terroristische Infrastruktur» in der Hochburg militanter Islamisten zu zerschlagen.

Warum erfolgt diese Aktion gerade jetzt?

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Dass Israel ausgerechnet jetzt zuschlägt, erklärt SRF-Nahostkorrespondentin Anita Bünter mit zwei Faktoren, die in letzter Zeit zum schwelenden Konflikt dazugekommen sind: «Einerseits ist eine rechte, nationalistische Regierung seit einem halben Jahr an der Macht. Die ultra-rechten Minister lassen kaum eine Gelegenheit aus, die palästinensische Seite zu provozieren, zum Beispiel durch den Ausbau der Siedlungen im Westjordanland. Ein Grossteil der internationalen Gesellschaft betrachtet diesen Siedlungsausbau als illegal. Andererseits haben sich im Norden des Westjordanlandes mehrere gewaltbereite Gruppierungen gebildet, die regen Zulauf haben. Sie machen mit Anschlägen und Gewalt auf sich aufmerksam: Erst vergangene Woche haben sie versucht, aus dem Westjordanland Raketen nach Israel zu schiessen. Das ist eine neue Eskalationsstufe. Die Fronten sind auf beiden Seiten verhärtet.»

In der Nacht auf Dienstag ist es im Rahmen der israelischen Militäroffensive im besetzten Westjordanland ebenfalls zu Luftangriffen und verschiedenen Bodengefechten gekommen. Mindestens 20 Menschen seien dabei lebensgefährlich verletzt worden, berichtete das palästinensische Gesundheitsministerium.

Bei mindestens einem Toten soll es sich Berichten zufolge um einen militanten Palästinenser handeln. Die Armee war in der Nacht zum Montag in die palästinensische Stadt Dschenin eingerückt.

Menschen verlassen ihre Häuser im Flüchtlingslager

Palästinensische Medien meldeten am Montagabend, die israelische Armee habe angeordnet, dass Palästinenser das Flüchtlingslager in Dschenin verlassen sollten.

Aufnahmen im Internet zeigen, wie viele Menschen aus ihren Häusern strömen. Israelischen Medienberichten zufolge bestritten israelische Sicherheitsbeamte hingegen, dass es einen solchen Befehl zur Evakuierung gegeben habe. Demnach flüchteten die Menschen zu Tausenden vor den Kämpfen.

Menschen tragen ihre Habseligkeiten auf die Strasse
Legende: Nach dem Rückzug der israelischen Armee aus Dschenin im israelisch besetzten Westjordanland, tragen Menschen ihre Habseligkeiten auf die Strasse. REUTERS/Ammar Awad

Die dicht besiedelte Stadt Dschenin und das dazugehörende Flüchtlingslager mit rund 17'000 Bewohnerinnen und Bewohnern gelten als Hochburg militanter Palästinenser. Finanziert werden die verschiedenen Gruppierungen vor allem von Iran, einem Erzfeind des Staates Israel.

Warum ausgerechnet Dschenin?

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«In Dschenin sind Armut und Unzufriedenheit gross, besonders im Flüchtlingslager», sagt SRF-Nahostkorrespondent Jonas Bischoff. «Dort leben Nachfahren der Menschen, die rund um die Staatsgründung Israels vor 75 Jahren vertrieben worden sind. Sie leben unter schwierigen Bedingungen und haben oft kaum eine Perspektive. Das ist ein Nährboden für Radikalisierung und Extremismus. Tatsächlich stammten mehrere Attentäter, die in letzter Zeit Anschläge in Israel verübt haben, aus Dschenin oder werden mit der Stadt in Verbindung gebracht. Vor Ort in Dschenin ist die Radikalisierung augenfällig: Überall hängen Porträts von getöteten jungen Männern, die als Märtyrer gefeiert werden.»

«In den vergangenen Monaten ist Dschenin zu einem Rückzugsort für Terrorismus geworden, von dem aus heimtückische Attacken auf israelische Männer, Frauen und Kinder verübt wurden», sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einem Auftritt am Montagabend. Israelische Soldaten würden alles dafür tun, um den Tod von Zivilisten zu vermeiden. Die Militäroffensive werde so lange dauern wie nötig, «um die Mission zu erfüllen», wurde Netanjahu von israelischen Medien zitiert.

Palästinensische Autonomiebehörde kappt Zusammenarbeit

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Die palästinensische Autonomiebehörde bekräftigte nach einem Treffen ihrer Führungsriege am Montagabend, dass es mit Israel in Sicherheitsfragen keine Zusammenarbeit mehr geben werde. Ähnliche Ankündigungen hatte die Autonomiebehörde schon bei früheren Gelegenheiten gemacht – sie wurden allerdings faktisch nicht umgesetzt.

Beide Seiten tauschen nachrichtendienstliche Informationen aus, um Terroranschläge zu verhindern und grössere Einsätze in von der palästinensischen Autonomiebehörde kontrollierten Zonen zu koordinieren. Zudem soll verhindert werden, dass militante Gruppen die Oberhand in diesem Gebiet erlangen.

Die Sicherheitslage in Israel und in den palästinensischen Gebieten ist seit langem angespannt, zuletzt nahm die Gewalt aber nochmals zu. Seit Beginn des Jahres kamen mehr als zwei Dutzend Menschen bei Anschlägen von Palästinensern ums Leben. Im gleichen Zeitraum wurden mehr als 140 Palästinenserinnen und Palästinenser bei gewaltsamen Zusammenstössen, israelischen Militäreinsätzen oder nach eigenen Anschlägen getötet.

Video
Aus dem Archiv: Nahost-Konflikt: Israel tötet Palästinenser bei Drohnenangriff
Aus Tagesschau vom 22.06.2023.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 55 Sekunden.

SRF News, 04.07.2023, 04:30 Uhr;

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