Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas bekommt kein US-Visum: Die Trump-Regierung hat ihm und der Palästinensischen Autonomiebehörde die Einreisebewilligung entzogen.
Der Brunnen mit den fünf Löwenstatuen ist das Wahrzeichen des Manaraplatzes, im Herzen von Ramallah. Letzte Woche fuhren hier an einem Morgen, ohne Vorwarnung, israelische Militärfahrzeuge auf. Soldaten schossen, 58 Menschen wurden verletzt. Dies geschah einmal mehr auf Gebiet, das Israels Armee nach den Abkommen von Oslo gar nicht betreten dürfte. Der fast dreistündige Militäreinsatz vor der Haustüre des palästinensischen Präsidenten markierte den Anfang einer besonders erniedrigenden Woche für ihn und sein Volk.
Die israelische Armee – im Zentrum von Ramallah, dem Amtssitz des Präsidenten! – das habe ich noch nie erlebt!
«Und dann verweigert ihm Trump auch noch ein Visum! Nicht nur unser Präsident darf nicht mehr in die USA einreisen, sondern gleich alle Palästinenser», sagt ein Beamte, sichtlich ratlos. Keine Visa mehr für die USA: Das Thema beschäftigt die Menschen im Zentrum von Ramallah, insbesondere junge Menschen.
«Sie zerstören unsere Zukunft!», sagt eine junge Frau, die eben die Matura gemacht hat und im Herbst studieren will.
Viele von uns hatten vor, in den USA zu studieren, ins Ausland zu gehen. Da nehmen sie uns hier alles weg – und auswandern dürfen wir auch nicht.
Die Führungsriege von Präsident Abbas steht an diesem Tag für einen Reporterinnen-Besuch nicht zur Verfügung. Aber am Abend meldet sich Sabri Saidam, Vize-Generalsekretär des Fatah-Partei Zentralkomitees und einstiger Berater des Präsidenten, per Sprachnachricht.
«Dass uns Präsident Trump die Einreise in die USA verweigert, hat uns überrascht. Schliesslich prahlt er immer damit, wie er in der ganzen Welt Frieden stiftet und sogar den Friedensnobelpreis verdient. Mit diesem Entscheid tut er das Gegenteil». sagt Saidam. Dass Trump zudem generell Visa für Palästinenserinnen und Palästinenser aussetze, zeige seine wahren Absichten.
«Trump stellt unsere Existenz in Frage»
«Die amerikanische Regierung stellt die Existenz der Palästinensischen Autonomiebehörde in Frage, wenn sie den Pass, den wir unseren Leuten ausstellen, nicht anerkennen», sagt der Vize-Generalsekretär der Fatah-Partei.
«Es ist ein weiterer Beweis dafür, dass die USA zusammen mit Israel im Gazastreifen eine Trump-Riviera planen, die palästinensische Bevölkerung vertreiben wollen und ihr das Recht auf einen souveränen Staat aberkennen.»
Anfang vom Ende der Palästinensischen Autonomiebehörde?
Ausser an die internationale Gemeinschaft zu appellieren, damit diese Trumps Visums-Entscheide zurücknimmt, scheint Präsident Abbas keinen Plan zu haben. Der Politologe Wadie Abunassar, der mit seinem Thinktank «International Center for Consultations» Regierungsvertreter aus aller Welt berät, sieht im Visumsentscheid der USA den Anfang vom Ende der Palästinensischen Autonomiebehörde: «Der Präsident hat einen strategischen Fehler gemacht. Er hat auf die Falschen gesetzt: auf die USA und Israel, statt auf sein Volk.»
Vor allem die palästinensische Jugend fühlt sich vom greisen, längst nicht mehr demokratisch legitimierten Präsidenten im Stich gelassen. Der 23-jährige Ali zum Beispiel: Er arbeitet im Zentrum von Ramallah als Kellner in einem Café. Vor zwei Wochen sei sein Antrag auf ein US-Visum abgelehnt worden.
«Aber alle sehen ja: Nicht einmal unser Präsident bekommt ein Visum», sagt Ali. «Ich weiss nicht, was los ist: Für die Welt sind wir irgendwie keine Menschen. Ich möchte mein Leben beginnen, aber ich habe ein mulmiges Gefühl, weil ich nicht weiss, was mit uns noch passieren wird.»