Als Ria und Ali Sherafedin im November nach der Feuerpause in ihre Heimatstadt Tyros zurückkehrten, standen sie buchstäblich vor einem Scherbenhaufen. Fenster waren zerborsten, Möbel zerschlagen, in den Matratzen steckten Glassplitter. «Ich bin so wütend, wir sind doch keine Terroristen», sagte Ria Sherafedin damals verzweifelt.
Wiederaufbau dank Geldern der Hisbollah
Israelische Raketen hatten grosse Teile der Stadt dem Erdboden gleichgemacht. Ali Sherafedin lief mit dem Handy durch die Räume, dokumentierte jeden Schaden – in der Hoffnung, dass «die Gelben», wie viele hier die Hisbollah nennen, wieder für Reparaturen zahlen würden.
Tatsächlich floss Geld, doch nicht alles wurde ersetzt. Viele warten bis heute auf Entschädigung, weil der libanesische Staat die Bargeldtransporte aus dem Iran unterbindet.
Israelische Truppen weiterhin präsent
Für Ali Sherafedin steht fest: Die Hisbollah darf nicht entwaffnet werden, solange Israel weiter Ziele im Süden beschiesst. «Die Armee kann unsere Sicherheit nicht garantieren», sagt er. Israelische Soldaten halten zudem immer noch Kontrollposten im Süden des Libanons.
Die Hisbollah feuert von Kirchen und Moscheen aus. Ihnen ist nichts heilig.
Eine Fahrt ins Dorf Saradah führt nahe an einem dieser Posten vorbei. Der maronitische Priester Pierre zeigt eine zerstörte Kirche: In den Wänden klaffen grosse Löcher, das Dach ist geschwärzt vom Feuer.
Eine Rakete ist durch das Kirchenschiff geflogen. Zwischen Schutt und Staub liegen leere Softdrinkdosen mit hebräischer Aufschrift – Spuren israelischer Soldaten, die das Gebäude wohl zeitweise nutzten. Ob sich zuvor Hisbollah-Kämpfer darin verschanzt hatten, ist unklar. «Die Hisbollah feuert von Kirchen und Moscheen aus. Ihnen ist nichts heilig», sagt der Priester. Unter den Christen im Libanon ist die Hisbollah alles andere als beliebt.
Im Süden bleibt die Rückkehr ein Wagnis
Saradah war während des Kriegs verwaist, doch nicht alle Orte im Süden leerten sich. In Deir Mimas blieb Gemeindepräsident Suhail Abou Jamra die meiste Zeit. Heute seien viele zurück, doch Ruhe herrsche nicht, sagt er.
Die israelischen Raketenangriffe dauern an, Rückkehrerin Rana Saad beschreibt den Alltag zwischen den Fronten: «Auf der einen Seite die Hisbollah, auf der anderen die Israelis – wir stecken mittendrin.»
Jamra hofft auf eine politische Lösung, die auch einen Abzug der Hisbollah vorsieht. Die libanesische Armee patrouilliert wieder in der Gegend, das gebe den Menschen Mut, sagt der Gemeindepräsident.
Wegziehen will hier kaum jemand. Das Feld der Hisbollah oder den Israelis zu überlassen, komme nicht infrage, sagt Anwohnerin Rana Saad: «Ich habe keine Angst, weder vor der einen noch vor der anderen Seite.» Doch solange kein Frieden herrscht, bleibt die Rückkehr für viele nur ein ferner Wunsch.