In einem Plastikbecher verrührt der 16-jährige Abdou Kaffeepulver mit Wasser. Nur wenn er tagsüber genug Kaffee und Tee verkauft, hat er am Abend Geld in der Tasche. Im Zentrum von Damaskus hat er am Strassenrand einen kleinen Stand aufgebaut.
Mit den Einnahmen muss er seine Familie unterstützen. Doch viel verdient er, der nie zur Schule ging, nicht in diesen Tagen. Der Laufkundschaft fehle oft das nötige Kleingeld, sagt er: «Das Geschäft läuft schlecht – es gibt kaum Arbeit. Und auch die Sicherheitslage ist nicht so gut.»
Milliardenversprechen der Golfstaaten
Syriens Wirtschaft liegt nach Jahren des Bürgerkriegs und der Sanktionen am Boden. Die grossflächige Zerstörung – etwa durch Fassbomben des Assad-Regimes – ist überall zu sehen. Nun soll es unter den neuen Herrschern endlich aufwärtsgehen – dies die Hoffnung vieler Syrerinnen und Syrer.
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Bild 1 von 2. Die Zerstörung durch 14 Jahre Krieg ist in Syrien allgegenwärtig, wie etwa hier in Al-Kaboun, einem Vorort von Damaskus. Bildquelle: Screenshot Video AFP.
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Bild 2 von 2. Kinder, die betteln oder – wie hier – Papiertaschentücher verkaufen, sind keine Seltenheit im Strassenbild. Bildquelle: SRF.
Nur ein paar Schritte von Abdous Strassenstand entfernt wird an der Zukunft Syriens gebaut: Auf einer Baustelle ragen Armierungseisen in den Himmel. Der reiche Golfstaat Saudi-Arabien will alleine auf dieser Baustelle in Damaskus 100 Millionen US-Dollar investieren. Innert drei Jahren soll hier ein Hochhaus entstehen – mit Hotel und Luxuswohnungen.
Verschiedene Golfstaaten haben in den vergangenen Monaten Milliardeninvestitionen in Syrien für den Ausbau von Infrastruktur, Telekommunikation und Transport angekündigt, darunter Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar.
Anfang August unterzeichnete die syrische Übergangsregierung Abkommen im Wert von 14 Milliarden US-Dollar für zwölf Grossprojekte: etwa den Bau eines neuen Flughafens in Damaskus oder einer Metro in der Hauptstadt.
Angst vor Instabilität
Derzeit würden vor allem die arabischen Golfstaaten in Syrien investieren, erzählt Saleh Alshikh. Er arbeitet bei Arab Platform Capital und berät Investoren, die in Syrien Geschäfte machen wollen. Eben erst hat die Firma ein neues Büro in einem modernen Quartier in Damaskus eröffnet.
«Syrien braucht im Moment fast alles», sagt Alshikh. «Das bietet aber auch Investitionsmöglichkeiten: Das Land hat 14 Jahre Krieg hinter sich. Investitionen sind in verschiedenen Sektoren möglich.»
Ein grosses Problem sei weiterhin, Geld ins Land zu bekommen: Die Wiederanbindung an das internationale Bankensystem SWIFT komme nur schleppend voran.
Nicht gut fürs Geschäft sei auch, dass es immer wieder zu Gewaltausbrüchen kommt, wie jüngst im Süden Syriens: «Die derzeitige Instabilität bereitet uns Sorgen. Diese führt zu einer zögerlichen Haltung oder gar Angst bei den Investoren.»
Es braucht Zeit, bis sich die syrische Wirtschaft erholt. Kaffeeverkäufer Abdou Fiyad hofft, dass die Investitionsankündigungen der Golfstaaten nicht nur leere Versprechen bleiben: «So Gott will, wird die Zukunft mehr Sicherheit bringen – und auch mehr Arbeit. Das Wichtigste ist, dass das Land stabiler wird.»