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Mitinitiant Walter Wobmann (SVP/SO): «In der Schweiz zeigt man das Gesicht»
Aus News-Clip vom 20.09.2023.
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Nationales Burka-Verbot kommt Von Belgien bis Sri Lanka: Hier ist der Schleier schon gefallen

Das Parlament setzt das nationale Verhüllungsverbot um. SRF-Korrespondenten berichten, welche Erfahrungen andere Länder damit gemacht haben.

Belgien: Die Extremisten wittern Morgenluft

Korrespondent Andreas Reich: In Belgien ist die Vollverschleierung in der Öffentlichkeit seit Juli 2011 landesweit verboten – in einzelnen Gemeinden waren bereits zuvor Verbote in Kraft. Vor der landesweiten Einführung wurde in Belgien intensiv über die Verhältnismässigkeit des Gesetzes debattiert: Unter den rund 800'000 Musliminnen und Muslimen, die in Belgien leben, gibt es laut Schätzungen nur rund 200 bis 400 Burka- oder Nikab-Trägerinnen.

Die Bewegung «Vrouwen Tegen Islamisering» hüllte 2014 eine Statue in Antwerpen in eine Burka.
Legende: Die Bewegung «Vrouwen Tegen Islamisering» («Frauen gegen Islamisierung») hüllte 2014 eine Statue in Antwerpen in eine Burka. Präsidiert wurde die «Frauenbewegung» von einer Vertreterin der Rechtsaussen-Partei «Vlaams Belang». Imago/Thierry Roge

Nach Inkrafttreten des Verbots gingen die Wogen erst recht hoch: Rechtsextreme Politikerinnen und Politiker versprachen Geldprämien für Personen, die vollverschleierte Frauen fotografieren und bei der Polizei melden. Während der Kontrolle einer Nikab-Trägerin durch die Polizei kam es in Brüssel zu Handgreiflichkeiten. In der Folge kam es zu gewaltsamen Protesten von radikal-islamischen Gruppierungen, welche das Burka-Verbot auch für ihre Propaganda nutzten. Inzwischen hat sich die Debatte stark beruhigt. Das Verschleierungsverbot ist im öffentlichen Diskurs zurzeit kaum mehr präsent. 

Umsetzungsvorlage zur Burka-Initiative steht

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Das Parlament befürwortet Bussen von bis zu 1000 Franken für Verstösse gegen das nationale Verhüllungsverbot. Als Zweitrat hat der Nationalrat dem Bundesgesetz zur Umsetzung der sogenannten Burka-Initiative zugestimmt. Die Regelung sieht Ausnahmen vor. In der Gesamtabstimmung nahm die grosse Kammer die Vorlage mit 151 zu 29 Stimmen bei sechs Enthaltungen an.

Volk und Stände hatten die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» im März 2021 knapp gutgeheissen, mit 51.2 Prozent Ja-Stimmen-Anteil. Gelten soll das Verbot, das Gesicht zu verhüllen, gemäss dem bundesrätlichen Entwurf an öffentlich zugänglichen Orten. Erlaubt bleiben soll die Verhüllung demnach etwa in Gotteshäusern, an der Fasnacht oder zum Schutz der Gesundheit. Behörden können Verhüllungen ausserdem an Demonstrationen bewilligen, wenn diese zur Ausübung der Grundrechte der Meinungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit notwendig sind.

Frankreich: der Schleier und die Werte der Republik

Korrespondentin Mirjam Mathis: Frankreich hat 2010 als erstes europäisches Land das Gesichtsverhüllungsverbot erlassen. Zu dieser Zeit trugen zwischen 350 und 2000 Frauen in Frankreich eine Burka oder einen Nikab. Das Gesetz sieht bei Missachtung eine Geldstrafe von 150 Euro und Staatsbürgerschaftspraktika vor. In den ersten sieben Jahren wurden gemäss der Staatsanwaltschaft 2648 Geldstrafen aufgrund der Missachtung des Gesetzes ausgesprochen, einige Frauen wurden wiederholt gebüsst.

Frauen mit Abaya in Paris
Legende: Nicht nur Nikab und Burka sorgten in Frankreich für Diskussionen, sondern auch die Abaya. Dabei handelt sich um ein Überkleid, das Frauen aus dem Nahen Osten und dem Maghreb über der normalen Kleidung tragen. IMAGO/ABACAPRESS

Religiöse Zeichen in der Öffentlichkeit – und insbesondere in öffentlichen Institutionen – sind in Frankreich ein wiederkehrendes Thema. Dies hat auch mit der strengen Trennung von Religion und Staat im laizistischen Frankreich zu tun. Vor wenigen Wochen sorgte der Entscheid der Regierung für Aufruhr, die Abaya an französischen Schulen zu verbieten. Dort wurde sie von ein paar hundert Jugendlichen getragen. Die Argumente ähneln denen für das Gesichtsverhüllungsverbot: Die Werte der Republik sollen geschützt und die Gleichberechtigung der Geschlechter gefördert werden. Ob dieses Ziel mit den Verboten tatsächlich erreicht wird, darüber ist man sich bis heute nicht einig.

Österreich: Corona als «Verschleierungstaktik»

Korrespondent Peter Balzli: Seit 2002 dürfen Demonstrierende in Österreich ihr Gesicht nicht mehr verhüllen. Seit 2017 ist die Gesichtsverhüllung generell verboten. «Burka-Verbot» nennt der Volksmund dieses Gesetz und es soll verhindern, dass sich Musliminnen verhüllen. Erlaubt ist die Gesichtsverhüllung nur noch aus medizinischen Gründen, bei Kälte, bei künstlerischen, kulturellen, traditionellen Veranstaltungen oder im Rahmen der Sportausübung. Bei Verstössen drohen bis zu 150 Euro Busse.

Arabische Touristen im Schnee am Kitzsteinhorn Gletscher beim Gletscher Plateau.
Legende: In luftiger Höhe gibt es ganz profane Gründe, sich das Gesicht zu verhüllen: so etwa Wind und Kälte. Mit der Pandemie kamen auch gesundheitliche Überlegungen dazu – und auch in Österreich gab es eher Probleme, wenn man auf die «Gesichtsverhüllung» verzichtete. Imago/Eibner

Bloss: Sanktioniert wurde nur in wenigen, meist kuriosen Fällen. Die Maskenpflicht während der Pandemie machte das Gesetz vorerst obsolet. Seither umgehen vereinzelt Touristinnen aus dem Mittleren Osten das Verbot durch das Tragen medizinischer Masken. Im Frühling wurde die Corona-Maskenpflicht aufgehoben. Genau genommen dürfen medizinische Masken jetzt nur noch mit ärztlichem Attest getragen werden. Doch jetzt, wo die Zahl Corona-Fälle wieder ansteigt, bestraft die Polizei Maskenträger ohne Attest kaum. Wenn die Person eine gesundheitliche Begründung glaubhaft machen kann, gibt es keine Busse.

St. Gallen und Tessin: Keine Anzeigen seit dem Jahr 2020

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Legende: Aktivistin demonstriert 2018 gegen Verschleierungsverbot in St. Gallen. Keystone/Gian Ehrenzeller

Die Stimmberechtigten des Kantons St. Gallen sprachen sich vor fünf Jahren für ein Burka-Verbot aus. Das Verbot trat am 1. Januar 2019 in Kraft. Seit der Einführung des Verbots ist bei der Staatsanwaltschaft allerdings noch keine einzige Anzeige deswegen eingegangen, wie sie gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA bekannt gab. Für das Tragen einer Burka, eines Nikab oder eines vergleichbaren Kleidungsstücks ist im Kanton St. Gallen auch noch niemand gebüsst worden.

Im Kanton Tessin wurde bereits 2016 ein Verhüllungsverbot in Kraft gesetzt. Von 2016 bis 2019 haben die Tessiner Behörden 60 Verstösse registriert, 32 davon standen im Zusammenhang mit Hooliganismus, 28 davon betrafen Frauen, die ihr Gesicht verschleierten. Seit dem Start der Pandemie im Jahr 2020 sind bei den Behörden keine weiteren Anzeigen mehr eingegangen, wie das Dipartimento delle Istituzioni des Kantons Tessin auf Anfrage von SRF News mitteilt.

Die Tessiner Behörden erklären dies auch damit, dass der Tourismus aus arabischen Ländern infolge der Pandemie drastisch zurückgegangen sei. Zudem habe die zunehmende Bekanntheit des Gesetzes zu einer «erhöhten und positiven Achtung» des Verhüllungsverbotes geführt. 

Dänemark: Wenige Fälle, wenige Bussen

Korrespondent Bruno Kaufmann: Im nordischen Königreich ist die Verhüllung des Gesichtes seit fünf Jahren grundsätzlich verboten. Dazu werden neben Burkas und Nikab auch Masken und grosse Sonnenbrillen gerechnet. Gemäss dem geltenden Strafgesetzbuch können Bussen zwischen 100 und – im Wiederholungsfall – bis zu 1000 Franken ausgesprochen werden. Das Verhüllungsverbot wurde im dänischen Parlament, dem Folketing, mit den konservativen und sozialdemokratischen Stimmen beschlossen – und als Erfolg «gegen Islamisten» gefeiert.

In Kopenhagen demonstrierten 2018 Niqab-Trägerinnen gegen das Verbot, als die erste Frau gebüsst wurde.
Legende: In Kopenhagen demonstrierten 2018 Nikab-Trägerinnen gegen das Verbot, als die erste Frau wegen dessen Missachtung gebüsst wurde. Keystone/EPA/Martin Sylvest

In den letzten fünf Jahren kam es gemäss Angaben der dänischen Polizei pro Jahr zu durchschnittlich 30 Bussen. Ein guter Drittel davon betraf nicht Burka- und Nikab-Trägerinnen, sondern «andere unverhältnismässige Verhüllungen». Laut der dänischen Polizei hat das Verbot «nicht zu schwierigen Situationen» geführt. Laut Untersuchungen der Universität Århus gab es in Dänemark schon vor der Einführung des Verbotes kaum Trägerinnen von Burkas oder Nikab – weniger als 100. 

Sri Lanka: Das Verbot und ein unheimlicher Verdacht

Korrespondentin Maren Peters: Sri Lanka hat den Burka-Bann im April 2021 beschlossen – als Folge der Oster-Anschläge zwei Jahre zuvor. Damals kamen bei sechs Selbstmordanschlägen auf Kirchen und Hotels mindestens 260 Menschen ums Leben. Der Geheimdienst beschuldigte die Terrororganisation Islamischer Staat. Daraufhin erliess die Regierung ein erstes Burka-Verbot, zunächst begrenzt auf vier Monate. Die Gesichtsverhüllung stelle eine Bedrohung für die nationale Sicherheit dar.

Muslimische Frau in der Hauptstadt Colombo, 2019
Legende: Musliminnen und Muslime machen rund neun Prozent der mehrheitlich buddhistischen Bevölkerung in Sri Lanka aus. Nur wenige muslimische Frauen haben die Burka getragen.  REUTERS/Danish Siddiqui

Vor wenigen Tagen berichtete der britische Fernsehsender Channel 4, dass möglicherweise der sri-lankische Geheimdienst hinter den Oster-Anschlägen stecke. Ziel sei es demnach gewesen, Chaos und Angst zu verbreiten. Dies sollte dem damaligen Präsidenten Gotabaya Rajapaksa helfen, die anstehende Wahl zu gewinnen. Eine parlamentarische Untersuchungskommission soll die Vorwürfe nun prüfen.

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Aus dem Archiv: Die Umsetzung des Verhüllungsverbots
Aus Tagesschau vom 20.10.2021.
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SRF 4 News, 20.9.2023, 10 Uhr;

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