Mittlerweile ist klar, dass die europäischen Staaten deutlich mehr Geld in ihre Sicherheit stecken und mehr Verantwortung übernehmen müssen als bisher. Doch warum es gerade 5 Prozent des Bruttoinlandprodukts sein sollen, wie US-Präsident Donald Trump fordert, weiss niemand. Womöglich sogar er selber nicht.
Doch Trumps Minister beten die Zahl und die Verpflichtung darauf neuerdings ständig herunter. Verbunden mit der unsanften Drohung, andernfalls könnten die USA die Nato verlassen. Die transatlantische Allianz wäre dann am Ende. Dabei geben derzeit nicht einmal die USA 5 Prozent des BIP für ihre Verteidigung aus – 2023 waren es rund 3.4 Prozent.
Rutte nennt neue Zielmarke
Die meisten europäischen Regierungschefs planen inzwischen beträchtliche Aufstockungen ihrer Rüstungsetats. Aktuell gelten in der Nato 2 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung als Minimum. Allerdings erreichen dies 9 von 32 Nato-Mitgliedsländern, darunter so grosse wie Italien, noch immer nicht.
Nato-Generalsekretär Mark Rutte spricht inzwischen von einer neuen Zielmarke, von «deutlich über 3 Prozent». Darüber liesse sich wohl unter den europäischen Nato-Mitgliedern auf dem Nato-Gipfel im Juni in Den Haag ein Konsens herstellen. Bloss: Trump möchte eben 5 Prozent. Und Nato-Chef Rutte unternimmt alles, damit die Amerikaner bloss nicht abspringen.
Allerdings ist für Regierungen, Generäle und Strategieexperten klar: Es bringt nichts, einfach gigantische Summen in Höhe von Hunderten Milliarden Euro pro Jahr in die Streitkräfte zu stecken.
Zuerst müsste klar sein, welche militärischen Kräfte man genau stärken will, mit welchen zusätzlichen Truppen, mit welchen Waffen, mit welchen Strategien. Es braucht zuerst konkrete Pläne und Projekte. Und dann das Geld.
5 Prozent des BIP kann sich niemand leisten
Natürlich können sich die Europäer nicht jahrelang Zeit lassen. Die Zeit drängt, die Bedrohung, vor allem durch Russland, ist da. Aber einfach Unsummen aufzuwerfen, erhöht die Schlagkraft nicht automatisch.
Die meisten Länder können sich die von Washington geforderte Aufstockung ohnehin unmöglich leisten. Entweder müssten sie die Steuern deutlich erhöhen oder ihren Sozialstaat gewaltig zurechtstutzen. Oder aber noch mehr Schulden machen.
Das ist politisch unmöglich durchsetzbar, ausser vielleicht in osteuropäischen Staaten wie Polen oder den baltischen Ländern, die sich von Moskau akut bedroht fühlen.
Budget-Tricksereien werden nichts bringen
Dennoch will man auf dem Nato-Gipfel im Juni irgendwie ein 5-Prozent-Ziel verankern, um Trump bei der Stange zu halten. Das geht nur mit Tricksereien. Etwa indem man auch Renten für ehemalige Berufssoldaten in die Verteidigungsausgaben hineinrechnet – was manche Länder jetzt schon tun.
Oder indem man den Zivilschutz, die Ausgaben für Cybersicherheit oder Technologie-Investitionen, die vielleicht auch dem Militär zugutekommen, ebenfalls dazurechnet.
Theoretisch wäre es auch möglich, Strassen- und Bahnausbauten, die gleichermassen für Truppen- und Waffentransporte genutzt werden können – oder gar die Kosten dafür, dass europäische Länder auf Gas und Öl aus Russland verzichten – unter «Verteidigungsausgaben» aufzulisten.
Damit lügt man sich in die eigene Tasche. Militärisch potenter wird die Nato dadurch nicht. Es verstärkt auch die Abschreckung nicht. Zumal Wladimir Putin auf solche Manipulationen gewiss nicht hereinfallen wird.