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Naturgewalten in Japan «Wir müssen mit schweren Nachbeben rechnen»

Erst wurde Japan vom schwersten Tropensturm seit 25 Jahren getroffen. Danach kam noch ein Erdbeben dazu. Martin Fritz, Journalist in Tokio, ordnet die Ereignisse ein.

Martin Fritz

Freier Journalist

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Der Journalist Martin Fritz arbeitete als Radio-Korrespondent für die ARD in Tokio. Als freier Journalist berichtet er nun neben Japan auch über Nord- und Südkorea. Vorher war er fünf Jahre lang Südasien-Korrespondent in Neu-Delhi.

SRF News: Rechnet man in Japan mit einem Nachbeben ?

Martin Fritz: Das ursprüngliche Beben hatte eine Stärke von 6,6 auf der Richterskala. Aussagekräftiger ist eine japanische Skala, die angibt, welche Zerstörungskraft ein Beben tatsächlich gehabt hat. Nach dieser Skala hatte das Beben heute Morgen um drei Uhr Ortszeit eine Stärke von 6 Plus. Das ist die zweithöchste Stufe. Das zuständige Wetteramt hat nicht ausgeschlossen, dass es sogar Stärke 7 gewesen ist, also die höchste Stufe. Wir müssen mit heftigen Nachbeben rechnen.

Diese Woche hatten wir Glück. Der Taifun war zwar der mächtigste seit 25 Jahren. Aber er hat sich sehr schnell abgeschwächt.

Immerhin gab es keinen Tsunami, weil das Epizentrum unter der Insel und nicht im Meer war. Wir hatten auch kein Problem mit dem einzigen Atomkraftwerk auf der Insel Hokkaido, denn das war sowieso abgeschaltet. Aber die Notstromaggregate für die Abklingbecken sind angesprungen.

Es gab am Mittwoch noch einen Sturm, der die Hauptinsel Japans traf. Es war der stärkste seit 25 Jahren. Wie schlimm sind die Folgen?

Nach dem letzten Stand gab es elf Tote und 600 Verletzte. Viele Häuser sind immer noch beschädigt. Es wurden Dächer abgedeckt, Autos weggeweht, Lastwagen umgeworfen. Es gab auch sehr viele Erdrutsche, weil der Taifun mit sehr viel Regen kam. Dieses ganze Chaos wird nun gerade beseitigt.

Der Flug- und der Bahnverkehr sind ebenfalls arg beeinträchtigt. Hat sich die Situation derzeit wieder normalisiert?

Ja, die Superschnellzüge Shinkansen fahren wieder von Tokio aus Richtung Westen. Das grösste Problem ist der internationale Flughafen Kansei für die Stadt Osaka. Er ist auf einer künstlichen Sandinsel ins offene Meer gebaut worden und eine der beiden Start- und Landebahnen ist jetzt überflutet. Die Terminals sind teilweise ohne Strom, ein Keller soll unter Wasser stehen. Auch die einzige Brücke, die diesen Flughafen mit dem Festland verbindet, ist geschlossen.

Ein Teil der künstlichen Insel wurde überflutet
Legende: Der Flughafen Kansai, der Menschen noch Osaka bringt, wurde auf einer künstlichen Insel aus Sand gebaut. Keystone

Der Taifun hatte einen leeren Tanker in diese Brücke hineingetrieben. Dabei wurde eine Fahrbahn beschädigt und verschoben. Und jetzt ist Japans grösster Flughafen ausserhalb von Tokio mit immerhin täglich 400 Starts und Landungen auf unbestimmte Zeit geschlossen, mit womöglich gravierenden wirtschaftlichen Folgen.

Bei früheren Stürmen war die Opferzahl teilweise deutlich höher, obwohl die Intensität schwächer war. Man ist also jetzt besser vorbereitet. An was liegt das?

Bei diesen Taifunen kommt es darauf an, wie gross sie tatsächlich sind, wie hoch die Windgeschwindigkeiten sind, wie viel Regen sie mitbringen und wie lange sie ihre maximale Kraft behalten. Diese Woche hatten wir Glück. Dieser Taifun war zwar der mächtigste seit 25 Jahren. Aber er hat sich sehr schnell abgeschwächt und er hat auch nicht ganz so viel Regen mitgebracht wie zum Beispiel ein Taifun, der teilweise die Überschwemmungen im Juli ausgelöst hatte. Das ist der Hauptgrund, dass es nicht mehr Opfer gab.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

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