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Albanien will neuen Nationalpark gründen
Aus Echo der Zeit vom 14.06.2022. Bild: Keystone
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Naturschutzprojekt in Albanien Albanien schützt einen der letzten Wildflüsse Europas

Am Fluss Vjosa in Albanien soll ein neuer Nationalpark entstehen. Seit zehn Jahren kämpfen Aktivistinnen und Aktivisten für das Vorhaben, denn die Regierung hatte geplant, am Flusslauf mehrere Wasserkraftwerke zu bauen. Jetzt hat sie zusammen mit der Outdoor-Bekleidungsfirma Patagonia eine Absichtserklärung unterzeichnet, den Flusslauf unter Schutz zu stellen.

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

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Franziska Tschinderle ist Journalistin mit Schwerpunkt Südosteuropa. Sie lebt als Korrespondentin in der albanischen Hauptstadt Tirana.

SRF News: Was ist im Nationalpark an der Vjosa?

Franziska Tschinderle: Die Vjosa ist einer der letzten Wildflüsse Europas. Auf einer Länge von 170 Kilometern fliesst sie unreguliert und unbebaut von Griechenland her durch Südalbanien in die Adria.

Die Vjosa ist einer der letzten Wildflüsse Europas – sie fliesst unreguliert und unbebaut durch den Süden Albaniens.

Gegen die Kraftwerkpläne der Regierung hatte sich denn auch eine breite Umweltbewegung mit vielen Prominenten gebildet. Und diese Bewegung war jetzt erfolgreich: Ministerpräsident Edi Rama hat eine Absichtserklärung unterzeichnet, wonach die Vjosa zum ersten Wildfluss-Nationalpark Euorpas werden soll.

Wieso hat die Regierung ihre Kraftwerkpläne aufgegeben und unterstützt jetzt das Nationalparkprojekt?

Die Regierung setzt auf Tourismus, der in Albanien in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Zwar sind grosse Infrastrukturbauten wie etwa Kraftwerke kurzfristig eine gute Sache für die Wirtschaft einer Region und eines Landes.

Die Regierung hat eine Güterabwägung gemacht – und setzt auf den Tourismus.

Doch im Falle der Vjosa zeigten Studien, dass die Kraftwerke wegen des vom Fluss mitgerissenen Geschiebes schon in wenigen Jahren nicht mehr effizient arbeiten würden. In diesem Sinne hat die Regierung wohl eine Güterabwägung gemacht – und setzt jetzt auf den Tourismus.

Luftaufnahme Tal der Vjosa.
Legende: Irgendwie erinnert die Vjosa an die Bergflüsse im Tessin. Dieses einzigartige Ökosystem soll erhalten bleiben, die Wasserkraftpläne wurden begraben. Reuters

Albaniens Abhängigkeit von Wasserkraft

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Wasserkraft ist in Albanien äusserst wichtig: 95 Prozent des verbrauchten Stroms wird so gewonnen. Das geht auf Diktator Enver Hodscha zurück, der mithilfe der Chinesen grosse Dämme bauen liess. Nach der Wende in den 1990er-Jahren verpassten es die albanischen Politiker aber, die Abhängigkeit vom Wasser zu verringern und die Stromproduktion zu diversifizieren. Das Problem: Mit dem Klimawandel führen die Flüsse Albaniens – wie alle Flüsse im Mittelmeerraum – immer weniger Wasser. Wenn im Sommer also die Klimaanlagen laufen und besonders viel Strom benötigt wird, produzieren die Wasserkraftwerke wenig davon. Albanien muss dann sogar Strom importieren. Und dabei wäre das Potenzial von Wind- und Sonnenenergie in der gesamten Balkan-Region immens.

Wie kommt es, dass mit Patagonia eine internationale Firma die Absichtserklärung für den Nationalpark mitunterzeichnet hat?

Hinter vorgehaltener Hand hört man, dass das sehr entscheidend war für das Projekt. Der Outdoor-Konzern mit Sitz in Kalifornien und mit einem Umsatz von einer Milliarde Dollar im Jahr gibt sich gern sehr umweltbewusst. Patagonia hat die Vjosa in den letzten Jahren im aus US-Sicht weit entfernten Albanien quasi zu einer globalen Marke gemacht.

Manche sagen, Rama wolle bloss von anderen Projekten ablenken – etwa einem Flughafen in einem Vogelschutzgebiet.

Andererseits hat Ministerpräsident Rama sehr gute Kontakte in die USA, Albanien ist eines der pro-amerikanischsten Länder der Welt. Wenn Ramas Regierung nun die Patagonia-Pläne zerstört hätte, hätte das womöglich auch ihm geschadet. Ausserdem gibt es Kritiker, die sagen, er wolle mit seiner Unterschrift unter die Vereinbarung auch von anderen Projekten ablenken – etwa einem geplanten Flughafen in einem Vogelschutzgebiet nur wenige Kilometer vom Ufer der Vjosa entfernt.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

SRF 4 News, Echo der Zeit vom 14.6.2022, 18:00 Uhr;

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