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Neubesetzung beim UNHCR Wir suchen: einen Chef. Wir bieten: Probleme

Das Hochkommissariat für Flüchtlinge ist eine der grössten und bekanntesten UNO-Organisationen. Bald braucht es einen neuen Chef oder eine neue Chefin. Valable Kandidaturen gibt es etliche, darunter die Schweizerin Christine Schraner Burgener. Doch das UNHCR steht im Sturm: finanziell und politisch.

Es sollte nicht wie eine Abschlussrede klingen, aber es war eine: Die Amtszeit des Italieners Filippo Grandi, seit zehn Jahren UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, läuft Ende Jahr aus. Bei seinem letzten Auftritt vor dem Leitungsgremium des UNHCR mit Sitz in Genf konnte er daher Klartext reden. Und sprach von politisch instrumentalisierten Bestrebungen gegen Flüchtlinge, Migranten und mitunter gegen Ausländer generell.

Das UNHCR kann längst nicht mehr allen helfen, die Hilfe benötigen.
Autor: Filippo Grandi UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge

Zwar machen gerade in westlichen Ländern die Flüchtlinge nur einen kleinen Teil der Zuwanderung aus. Doch ihre absolute Zahl ist stark gestiegen – in den vergangenen zehn Jahren hat sie sich verdoppelt. Es sind nun weltweit 123 Millionen. «Das UNHCR kann längst nicht mehr allen helfen, die Hilfe benötigen», klagt Grandi in einem türkischen Fernsehsender.

Filippo Grandi im Porträt mit erhobenem Zeigefinger.
Legende: Seit zehn Jahren ist Filippo Grandi an der Spitze des UNHCR. Nun geht der UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge und hinterlässt viele Baustellen in der UNO-Organistion. REUTERS/Eduardo Munoz

Die Kürzungen sind einschneidend und nötig vor allem, weil die USA nicht mehr zahlen. Gegen 5000 Arbeitsplätze verschwinden, im Budget fehlen jetzt schon eineinhalb Milliarden. Der Posten des UNHCR-Chefs gilt fast schon als Himmelfahrtskommando. Trotzdem ist er begehrt. Für Grandis Nachfolge haben rund ein Dutzend, teils hochkarätige Kandidatinnen und Kandidaten, den Hut in den Ring geworfen.

Schraner Burgener mit gutem Draht zu Guterres

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Frau mit kurzem dunkelbraunem Haar in rosa Blazer.
Legende: KEYSTONE/Ti-Press/Pablo Gianinazzi

Die Schweizer Diplomatin und frühere Staatssekretärin für Migration Christine Schraner Burgener kandidiert für den Spitzenposten im UNHCR. In einer öffentlichen Anhörung am Rande der UNO-Generaldebatte Ende September nannte sie als Priorität, falls sie gekürt würde, den Schutz von Flüchtlingen ganz grundsätzlich wieder zu stärken. Dieser Schutzanspruch wird zunehmend in Frage gestellt. In der Schweiz galt Schraner Burgener anfänglich als Favoritin. Sie hat einen guten Draht zu UNO-Generalsekretär Antonio Guterres, der am Ende entscheidet. Als dessen Sonderbeauftragte für Myanmar hat sie sich profilieren können. Dennoch ist alles andere als gewiss, dass bereits zum vierten Mal in der Geschichte des UNHCR jemand aus der Schweiz den Chefposten übernimmt.

Ein starker Konkurrent ist der deutsche Staatssekretär Niels Annen. Deutschland ist mittlerweile der grösste Beitragszahler beim UNHCR und nahm sehr viele Flüchtlinge auf. Die prominenteste Anwärterin ist jedoch die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Sie wirbt nicht zuletzt mit ihrer Biographie, entstammt sie doch einer Flüchtlingsfamilie aus Spanien.

Bus mit UNHCR-Logo beladen mit Menschen in Flüchtlingslager.
Legende: Das UNHCR muss sparen. Gegen 5000 Arbeitsplätze müssen gestrichen werden, seitdem die USA nicht mehr der grösste Geldgeber sind. REUTERS/Jok Solomun

Interessiert sind zudem und unter anderen ein türkischer Topdiplomat, eine Ex-Aussenministerin aus Spanien und eine aus Finnland oder der abtretende Ikea-Chef Jesper Brodin. Ausserdem ein früherer Präsident des Iraks und ein angesehener UNO-Funktionär aus Ghana. Es gibt Stimmen, die fordern, es sollte nicht immer ein Europäer UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge sein.

Die Staaten haben aufgrund der UNO-Flüchtlingskonvention völkerrechtliche Verpflichtungen – ihre Türen müssen offenstehen.
Autor: Antonio Guterres UNO-Generalsekretär

Wer immer das Rennen macht: Erst recht hart wird es danach. Die künftige UNHCR-Chefin oder der künftige Chef muss sich weiterhin mit radikalen Sparprogrammen herumschlagen, wird die ganze UNO-Behörde neu ausrichten müssen – und politisch permanent im Gegenwind stehen. UNO-Generalsekretär Guterres sagte neulich, die Staaten hätten aufgrund der UNO-Flüchtlingskonvention völkerrechtliche Verpflichtungen; ihre Türen müssten offenstehen. Damit beschreibt er ein Ideal, von dem die Realität zunehmend abweicht.

Noch immer sind gewichtige Länder – von Saudi-Arabien bis Indien – der Flüchtlingskonvention nicht beigetreten und haben das auch nicht vor. Und in manchen anderen, die sich dazu bekennen, wird die Konvention immer häufiger und heftiger verletzt. Oder gar diskutiert, sie aufzukündigen. Vor allem dieser Entwicklung muss sich der UNHCR-Chef entgegenstemmen – ohne allzu viel Aussicht auf Erfolg.

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Echo der Zeit, 20.10.2025, 18:00 Uhr

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