Es sollte nicht wie eine Abschlussrede klingen, aber es war eine: Die Amtszeit des Italieners Filippo Grandi, seit zehn Jahren UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, läuft Ende Jahr aus. Bei seinem letzten Auftritt vor dem Leitungsgremium des UNHCR mit Sitz in Genf konnte er daher Klartext reden. Und sprach von politisch instrumentalisierten Bestrebungen gegen Flüchtlinge, Migranten und mitunter gegen Ausländer generell.
Das UNHCR kann längst nicht mehr allen helfen, die Hilfe benötigen.
Zwar machen gerade in westlichen Ländern die Flüchtlinge nur einen kleinen Teil der Zuwanderung aus. Doch ihre absolute Zahl ist stark gestiegen – in den vergangenen zehn Jahren hat sie sich verdoppelt. Es sind nun weltweit 123 Millionen. «Das UNHCR kann längst nicht mehr allen helfen, die Hilfe benötigen», klagt Grandi in einem türkischen Fernsehsender.
Die Kürzungen sind einschneidend und nötig vor allem, weil die USA nicht mehr zahlen. Gegen 5000 Arbeitsplätze verschwinden, im Budget fehlen jetzt schon eineinhalb Milliarden. Der Posten des UNHCR-Chefs gilt fast schon als Himmelfahrtskommando. Trotzdem ist er begehrt. Für Grandis Nachfolge haben rund ein Dutzend, teils hochkarätige Kandidatinnen und Kandidaten, den Hut in den Ring geworfen.
Ein starker Konkurrent ist der deutsche Staatssekretär Niels Annen. Deutschland ist mittlerweile der grösste Beitragszahler beim UNHCR und nahm sehr viele Flüchtlinge auf. Die prominenteste Anwärterin ist jedoch die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Sie wirbt nicht zuletzt mit ihrer Biographie, entstammt sie doch einer Flüchtlingsfamilie aus Spanien.
Interessiert sind zudem und unter anderen ein türkischer Topdiplomat, eine Ex-Aussenministerin aus Spanien und eine aus Finnland oder der abtretende Ikea-Chef Jesper Brodin. Ausserdem ein früherer Präsident des Iraks und ein angesehener UNO-Funktionär aus Ghana. Es gibt Stimmen, die fordern, es sollte nicht immer ein Europäer UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge sein.
Die Staaten haben aufgrund der UNO-Flüchtlingskonvention völkerrechtliche Verpflichtungen – ihre Türen müssen offenstehen.
Wer immer das Rennen macht: Erst recht hart wird es danach. Die künftige UNHCR-Chefin oder der künftige Chef muss sich weiterhin mit radikalen Sparprogrammen herumschlagen, wird die ganze UNO-Behörde neu ausrichten müssen – und politisch permanent im Gegenwind stehen. UNO-Generalsekretär Guterres sagte neulich, die Staaten hätten aufgrund der UNO-Flüchtlingskonvention völkerrechtliche Verpflichtungen; ihre Türen müssten offenstehen. Damit beschreibt er ein Ideal, von dem die Realität zunehmend abweicht.
Noch immer sind gewichtige Länder – von Saudi-Arabien bis Indien – der Flüchtlingskonvention nicht beigetreten und haben das auch nicht vor. Und in manchen anderen, die sich dazu bekennen, wird die Konvention immer häufiger und heftiger verletzt. Oder gar diskutiert, sie aufzukündigen. Vor allem dieser Entwicklung muss sich der UNHCR-Chef entgegenstemmen – ohne allzu viel Aussicht auf Erfolg.