Alles, nur nicht zu spät kommen: Die bald neue Bahn-Chefin Evelyn Palla und der Deutsche Verkehrsminister Patrick Schnieder sind 15 Minuten vor dem Termin schon da. Ein bisschen verlegen fast stehen die beiden im Atrium der Bundespressekonferenz in Berlin – dann geht es pünktlich um 10 Uhr los. Nur einer fehlt noch, der Chef des Verwaltungsrats der Deutschen Bahn. Die Journalisten kichern schon, dann kommt er, zwei Minuten zu spät. Und betont: Schuld war der Stau, nicht die Bahn. Zum Glück.
Verspätungen, Ausfälle, Chaos: Die neue Bahn-Chefin hat viel zu tun
Dann kann es also losgehen – alle an Bord. Und gleich zu Beginn kommen die grossen Versprechungen: So könne es nicht weitergehen, die Bahn sei marode, an einem Tiefpunkt. Die Menschen hätten das Vertrauen verloren – und wer das Vertrauen in die Bahn verliert, verliert es auch in den Staat.
Die Aufgabe könnte also nicht grösser sein für die neue Chefin – die vor ihrer Zeit bei der Bahn schon für die österreichischen Bundesbahnen gearbeitet hatte. Eine Controllerin, eine Zahlen-Frau, soll die Deutsche Bahn wieder auf Kurs bringen.
Billig wird das nicht, einfach sowieso nicht. Aber zumindest die Kasse der neuen Chefin ist prall gefüllt: 100 Milliarden Euro will die Bahn bis 2029 investieren, in Netze, in funktionierende Bord-Bistros, in saubere Bahnhöfe. Die Bahn soll wieder ein Leuchtturm werden, einer, der auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Alles-so-furchtbar-hier-Scham befreien soll.
Die neue Chefin hat den Lokführer-Fahrausweis
Damit sie wisse, wovon sie spreche, habe sie die Lokführerinnen-Prüfung gemacht, sagt Palla. Das solle Vertrauen schaffen.
Entsprechend wird Palla von der Deutschen Bahn zelebriert – ein Youtube-Video, unterlegt mit munterer Musik, soll zeigen: Palla versteht das Geschäft, wird wieder reparieren, was die Bahn-Chefs in den letzten 20 Jahren kaputtgemacht, kaputtgespart haben.
Punkto Pünktlichkeit sind die SBB mein Vorbild.
Nicht mal die Hälfte der Züge der Deutschen Bahn waren im Juni pünktlich – stundenlange Verspätungen an der Tagesordnung. «Aus unerfindlichen Gründen stehen wir hier auf offener Strecke, sorry dafür»: So und in tausend Varianten versucht das Bahnpersonal die Menschen an Bord zu besänftigen – in den sozialen Medien sind die Durchsagen der Zugbeleiter schon Kult.
«Punkto Pünktlichkeit sind die SBB mein Vorbild», sagt Palla. Und sie träumt von einer ähnlichen stabilen Finanzierung.
Aus Schweizer Sicht wirken die Ziele Pallas eher bescheiden: Nächstes Jahr zum Beispiel soll die Pünktlichkeit auf 70 Prozent gesteigert werden – und dann immer weiter bis auf 90 Prozent – irgendwann. Vielleicht.
Der «Eifelturm» ist Pallas Schutzpatron
Für politischen Rückhalt muss der «Eifelturm» sorgen. «Eifelturm» ist der Spitzname von Verkehrsminister Patrick Schnieder. Der Mann kommt aus der Eifel und ist 2.02 Meter gross. Auch von seiner politischen Grösse, von seinem politischen Gewicht wird es abhängen, ob das Geld wirklich fliesst, ob Palla wirklich die Mittel hat, die Bahn so zu reformieren, dass sie dem Titel der heutigen Pressekonferenz gerecht wird: «Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene.»
Schon morgen Dienstag soll die Arbeit losgehen. Alles, nur nicht zu spät kommen. Palla muss die vielleicht letzte Chance nutzen, der Deutschen Bahn wieder Leben einzuhauchen.