Ein Satz genügt, um die bisherige Politik der Europäischen Zentralbank zusammenzufassen. Der Satz stammt von Mario Draghi, der noch bis Ende Oktober die EZB führt: «Whatever it takes», sagte Draghi im Sommer 2012 und läutete damit die Wende in der Finanz- und Schuldenkrise ein.
Von da an war klar: Was immer nötig ist, um die Lage in der Eurozone mit ihren 19 Mitgliedsländern zu stabilisieren, das will und wird die Zentralbank tun. Nun soll Christine Lagarde die Führung übernehmen. Und sie wird es Draghi gleichtun.
Anderes Profil
Zwar hat die 63-jährige Juristin und frühere Finanzministerin Frankreichs als Persönlichkeit ein völlig anderes Profil als ihr italienischer Vorgänger. Sie ist keine Ökonomin, sie hat keine direkte Erfahrung in der Geldpolitik. Sie ist nicht der Typ der sachverständigen Technokratin, sondern eine gewiefte, machtbewusste Politikerin.
Doch eben darum wird sie ihr Mandat geschickt so interpretieren, dass der Euro als Gemeinschaftswährung weiterhin Bestand hat. Sie wird am bisherigen Kurs der Euro-Währungshüter seit Krisenausbruch vor rund zehn Jahren festhalten. Und sie wird weder rasch die Zinsen anheben; noch wird es ihr damit eilen, die aufgeblähte Notenbankbilanz auf das Vorkrisen-Niveau zu verkleinern.
Finanzmärkte brauchen Stabilität
In den bevorstehenden acht Amtsjahren als EZB-Chefin wird sie für Kontinuität sorgen. Denn als langjährige Leiterin des Internationalen Währungsfonds (IWF) weiss Lagarde genau, das es an den Finanzmärkten darauf ankommt, dass alle Akteure möglichst klare Erwartungen bilden können. Dass es – sofern irgendwie vermeidbar – keine Überraschungen gibt, schon gar keine unangenehmen.
Die Märkte sind ohnedies schon schwankungsanfällig genug. Geldpolitische Eskapaden und Experimente sind das Letzte, was die global vernetzte Finanzwelt braucht.
Eine vorsichtige Politik ist nötig
Daraus folgt: Unter Lagardes Leitung wird die EZB die Märkte grosszügig mit billigem Geld versorgen. Dass die Zentralbank damit indirekt den teils stark verschuldeten Staaten im Süden der EU erlaubt, weiterhin eine laxe Haushaltspolitik zu betreiben, ist eine logische Konsequenz dieser Kontinuität.
Aber Lagarde ist nicht deswegen von den EU-Staats- und Regierungschefs zur obersten Euro-Hüterin erkoren worden. Sondern, weil sie in dem komplizierten Postengeschacher nach der Europawahl von Ende Mai den richtigen, in diesem Fall französischen, Pass hat. Und weil sie als IWF-Chefin solide, vertrauenserweckende Leistungen vorweisen kann.
Auch wenn übrigens statt Lagarde der deutsche Bundesbankpräsident Jens Weidmann an die Spitze der EZB gekommen wäre – davon war im Vorfeld des Personalentscheids oft die Rede – hätte sich vermutlich wenig am Kurs der Zentralbank geändert. Denn zum vorsichtigen, auf Stabilität ausgerichteten Vorgehen unter Draghi gibt es sachlich betrachtet kaum eine vernünftige Alternative.