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Neue Massenkultur in Indien H-Pop – Musik für politische Zwecke

Was K-Pop in Südkorea ist, ist H-Pop in Indien: sehr beliebt und Teil einer neuen Massenkultur. Doch anders als K-Pop ist Hindutva-Pop politisch. Befürworter eines Hindu-Staates nutzen ihn, um religiöse Krawalle zu provozieren.

Trommeln, Trompeten, Kampfgetöse. Dass es in diesem Lied um Bedrohung und Aggression geht, begreift man, auch ohne Hindi zu verstehen:

Die indische Sängerin Laxmi Dubey fordert in diesem Lied, dass die safranfarbene Flagge in jedem Haus wehen soll. Safran ist die Farbe der Hindu-Nationalisten. Sie träumen davon, Indien in einen Hindu-Staat zu verwandeln.

Im Begleitvideo sieht man Soldaten, die die Grenzen Indiens gegen das muslimische Pakistan verteidigen, und immer wieder den populären Gott Ram, den auch die hindu-nationalistische Regierung für politische Zwecke einspannt. 

Laxmi Dubeys’ Lied ist Teil einer neuen Massenkultur mit dem zweideutigen Namen H-Pop. Das kann man mit Hindutva-Pop oder Hass-Pop übersetzen. Beides sei richtig, sagt der indische Journalist Kunal Purohit bei einem Treffen in Mumbai. Er hat ein Buch über H-Pop geschrieben.

H-Pop-Bewegung in Musik, Literatur und Poesie

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Die H-Pop-Bewegung hat nach 2014 Fahrt aufgenommen, nach der Machtübernahme der hindu-nationalistischen Regierung um Narendra Modi. Youtube und andere Social-Media-Kanäle verbreiten die Lieder millionenfach. Aber Teil dieser neuen Populärkultur seien auch Literatur und Poesie, sagt Buchautor Kunal Purohit. Die Botschaft an die Hindu-Mehrheit sei immer gleich: «Ihr seid in Gefahr, zur Minderheit im eigenen Land zu werden. Und müsst euch wehren, auch mit Gewalt.» Purohit spricht von «Bewaffnung der Populärkultur» durch H-Pop.

Kulturwissenschaftler Brahma Prakash aus Delhi beschreibt H-Pop als eine Mischung aus religiösen Gesängen und Techno-Musik. Der Rhythmus sei so mitreissend, dass die Musik sogar an Hochzeiten gespielt werde. Der Hass-Pop sei längst Teil der Populärkultur geworden.

Doch an bestimmten Anlässen werde H-Pop auch gespielt, um Aufstände gegen religiöse Minderheiten auszulösen, sagt Prakash. Es gäbe zahlreiche Beispiele dafür, dass die Musik zu Gewalt und Lynchmorden geführt habe.

«H-Pop soll Hass gegen religiöse Minderheiten und die Kritiker und Kritikerinnen der Regierung schüren. H-Pop soll aber auch helfen, die Hindutva, also die Ideologie des Hindu-Nationalismus, zu verbreiten», sagt Purohit. Diese Ideologie versteht Indien primär als Land der Hindus, obwohl auch viele Millionen von Muslimen, Christinnen und andere Minderheiten in Indien leben.

Orangene Fahnen mit religiösen Motiven bei Nacht.
Legende: Musik, Kunst und Poesie sind Teil der neuen Massenkultur «H-Pop» in Indien. Die safranfarbenen Flaggen sind darin prominent vertreten. X/Kunal Purohit

Die Sängerin Laxmi Dubey, die mit safranfarbenem Turban auftritt, ist stolz darauf, diese Ideologie mitzuverbreiten. «Indien ist in meinem Blut», sagt die 30-Jährige im Zoom-Gespräch. Sie stamme aus einer Familie von Brahmanen, so heisst die oberste Hindu-Kaste in Indien, die Priesterkaste. Ihre Familie habe immer religiöse Lieder gesungen.

Aber später will die junge Frau gesehen haben, dass Kugeln und Bomben auf Hindu-Institutionen gefeuert worden seien. Und es habe viele Fälle von Love-Jihad gegeben. Gemäss dieser islamophoben Verschwörungstheorie verführen muslimische Männer Hindu-Frauen und zwingen sie, zum Islam überzutreten.

Meine Stimme kann unserer Religion, Lord Ram und Mutter India dienen.
Autor: Laxmi Dubey Indische Sängerin

Laxmi Dubey sagt, sie habe sich daraufhin überlegt, dass sie den Hinduismus verbreiten könnte. «Meine Stimme kann unserer Religion, Lord Ram und Mutter India dienen.» Sie habe auch schon vor Premierminister Modi gesungen. Mitglied seiner Partei sei sie aber nicht.

Die Sängerin Laxmi Dubey respektiere alle Religionen. Aber das könne sie nicht davon abhalten, ihre Religion zu verbreiten. Zum Abschied ruft sie Jai Shri Ram – lang lebe Gott Ram . Es ist der Gruss der Hindu-Nationalisten.

Rendez-vous, 14.05.2024, 12:30 Uhr;kobt;odem

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