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Bulgariens Paradoxon in der Korruptionsbekämpfung
Aus Echo der Zeit vom 17.09.2023. Bild: Keystone/Vassil Donev
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Neue Regierung «Gut» und «Böse» spannen in Bulgarien zusammen

In Bulgarien regieren Parteien, die den Kampf gegen Korruption ernst meinen, jetzt zusammen mit Parteien des alten, korrupten Systems. Das hat die Erneuerer viel Sympathie gekostet. Vielleicht ist es aber der beste Weg hin zu einem besser funktionierenden Staat. Denn die Beseitigung von Korruption geht oft schief, wenn sie zu gründlich ist.

Wenn Bestechung zum Alltag gehört, funktioniert erst einmal alles schlechter ohne Bestechung. Beispiel Baubewilligungen: Steckt man einem Beamten Geld zu, kommt sie schneller und der Beamte verdient mehr. Bauherrin und Beamte haben etwas davon. Ist diese Art von Bestechung nicht mehr möglich, verlieren kurzfristig beide.

Kiril Petkovs vergeblicher Kampf

So gibt es in Bulgariens Politik wenige, die versuchen, das Land von Korruption zu befreien. Und viele, die nichts verändern wollen. Für diese vielen, die nichts verändern wollen, steht Bojko Borissow. Er war lange Jahre Regierungschef in Bulgarien, er bekommt auch heute noch bei fast allen Wahlen am meisten Stimmen – obwohl er umweht ist von Skandalen.

Für die wenigen, die in Bulgarien etwas verändern wollen, steht Kiril Petkov. Er war im vergangenen Jahr einige Monate lang ebenfalls Bulgariens Regierungschef. Studiert hat er an einer Elite-Uni in den USA. Versprochen hat er das Ende der Korruption. Als Regierungschef wollte Petkov schnell einiges verändern. Wohl zu viel, zu schnell. Für viele Menschen wurde der Alltag mühsamer – Kiril Petkovs Kampf gegen Korruption machte viele wütend. Nach wenigen Monaten stürzten die alteingesessenen Politiker im Parlament seine Regierung.

Erneuerer wählen neuen Weg

Doch nun ist passiert, was man nicht für möglich gehalten hatte: Die Partei von Kiril Petkov, dem Erneuerer, regiert zusammen mit der Partei von Bojko Borissow, die für das alte, von Korruption durchdrungene System steht. Keine der beiden Seiten hatte genug Stimmen, um allein zu regieren. Wählerinnen und Wähler glauben, die Erneuerer drückten jetzt auch beide Augen zu bei Korruption, seien Teil des alten Systems geworden.

Was in Bulgarien in letzter Zeit geschehen ist, deutet aber auf das Gegenteil hin: Die Erneuerer in der Regierung haben verhindert, dass Milliarden für den Unterhalt von Strassen mit manipulierten Ausschreibungen an die üblichen Verdächtigen gehen. Sie haben dafür gesorgt, dass Bulgariens Regierung einen Plan für die Zukunft der Kohleminen und -kraftwerke entworfen hat. Und sie haben es geschafft, Steuerschlupflöcher zu schliessen, sodass der bulgarische Staat in den letzten beiden Monaten eine Milliarde Franken mehr eingenommen als er ausgegeben hat.

Die Beispiele zeigen: Möglicherweise erreichen Erneuerer in einem korrupten System mehr, wenn sie sich sehenden Auges mit den alten Machthabern zusammentun. Auch wenn der Staat immer noch durchdrungen ist von Korruption. Auch wenn die Reformer manchmal als Feigenblatt herhalten müssen: Kleine Schritte zum Besseren sind so möglich.

Sarah Nowotny

Sarah Nowotny

Osteuropa-Korrespondentin

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Sarah Nowotny ist Osteuropa-Korrespondentin für SRF. Sie lebt in der polnischen Hauptstadt Warschau. Seit 2014 ist Nowotny bei Radio SRF tätig. Zuvor arbeitete sie für die «NZZ am Sonntag» und «Der Bund».

Echo der Zeit, 15.09.2023, 18:00 Uhr

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