Zum Inhalt springen

Header

Audio
Richtungswahl in Bulgarien
Aus Rendez-vous vom 28.09.2022. Bild: EPA/VASSIL DONEV
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 47 Sekunden.
Inhalt

Wahlen in Bulgarien Die Bulgaren haben die Wahl: Mehr Russland oder mehr Westen?

Einer der wenigen Unbestechlichen in Bulgarien sagt: Der Beitritt zur EU 2007 ist schlecht gewesen für das Land.

Bulgarien ist laut der Organisation Reporter ohne Grenzen EU-Schlusslicht bei der Pressefreiheit. Einer der fast einzigen bulgarischen Investigativ-Journalisten, die als unbestechlich gelten, ist Assen Jordanov.

«Vielleicht bin ich ein verrückter Idiot», sagt er beim Treffen in seiner bulgarischen Heimatstadt Burgas am Schwarzen Meer. Aber er glaube halt immer noch an das Gute.

Mit der EU kam die Medien-Unfreiheit

Früher sei seine Arbeit klischeefreier gewesen: Bevor Bulgarien 2007 Mitglied der Europäischen Union wurde, sei der Journalismus ziemlich frei und unabhängig gewesen. Jordanov arbeitete damals bei einer grossen Zeitung, niemand habe ihn zensiert.

Von Unbekannten angegriffen

Box aufklappen Box zuklappen
Legende: assen Jordanov

Für einen Journalisten hat Jordanov erstaunlich viele Muskeln. Zusammen mit seinen Enthüllungen ergibt das manchmal ein wandelndes Balkan-Klischee: Mafia und Gewalt. Zum Beispiel dann, wenn er im deutschen Fernsehen erzählt, dass vor Jahren Vermummte auf ihn losgingen. Einer der Angreifer habe ihm ein Messer in die Brust stossen wollen. Doch die Vermummten kamen nicht weit, denn Jordanov hat den schwarzen Gürtel in Karate.

Als Bulgarien dann aber in der EU war, hätten die Mächtigen praktisch alle bulgarischen Medien aufgekauft. «Sie wollten nicht, dass jemand aufdeckt, wie korrupt sie sind – wie sie EU-Geld missbrauchen.»

Bulgarien wählt am Sonntag

Box aufklappen Box zuklappen
Legende: Imago/Hristo Vladev

Die Wahlen in Bulgarien am nächsten Sonntag könnten eine Annäherung an Moskau bringen. Es wird erwartet, dass einerseits die pro-russischen Parteien hinzugewinnen werden, dass aber angesichts der extrem zersplitterten Parteienlandschaft keine neue Regierung gebildet werden kann. Dann aber würde die derzeitige, pro-russisch eingestellte Übergangsregierung weiter im Amt bleiben – und Bulgarien bliebe eher russlandfreundlich. Für die EU hiesse das: Ein zweites Land der Union neben Ungarn würde weiterhin russisches Gas beziehen und weitere Sanktionen gegen Moskau kaum mittragen.

Jordanov fand ein Dokument, das bewies, dass auch seine Zeitung von einem zweifelhaften Geschäftsmann und Politiker gekauft worden war. Der Journalist wurde sofort entlassen. Ihm blieb das Talent, verräterische Dokumente aufzutreiben.

Gründer der Plattform bivol.bg

Also gründete er «Bivol», den «Bullen». Das Internet-Medium finanziert sich durch Spenden. Man könnte seine Berichte kaum glauben, wenn dort nicht alles schwarz auf weiss nachvollziehbar wäre. Mit seinem Journalismus hat Jordanov auch schon internationale Preise gewonnen.

Jahrelang zweigten bulgarische Politiker Geld aus einem EU-Programm für «Gasthäuser» auf dem Land ab – es waren ihre privaten Ferienhäuser. Jahrelang kauften sie auch Luxuswohnungen weit unter dem Marktpreis. Und mit einem heimlich mitgeschnittenen Gespräch konnte Jordanov zeigen, dass Politiker Richterinnen und Richter bestechen.

Reiche, mächtige Feudalherren

Wie in alten Zeiten, sagt der Journalist, gebe es in Bulgarien Feudalherren – reiche Mächtige, die sich alles erlauben, alles nehmen. «Wir haben keine echte Demokratie, keine echte Marktwirtschaft», sagt der Investigativ-Journalist. Daran ändern auch seine Enthüllungen nichts, denn die bulgarische Justiz tut wenig gegen Machtmissbrauch.

Und leider fördere der Westen das kaputte System im Osten auch noch, beklagt Jordanov. Die bulgarische Mafia, so nennt er die Mächtigen, bekomme von der EU viel Geld und das Gütesiegel der europäischen Werte.

Eigentlich hätte die EU Bulgarien nicht aufnehmen dürfen, da sie keine Mechanismen habe für den Umgang mit postkommunistischen Ländern – Ländern wie Bulgarien, in denen kleptokratische Eliten nie abgelöst worden seien, sagt der Journalist.

Immerhin: Ohne die EU, so befürchtet in Bulgarien nicht nur der Journalist Jordanov, hätte sich Bulgarien längst eng an Russland angeschmiegt.

SRF 4 News, Rendez-vous vom 28.9.2022, 12:30 Uhr

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel