Julija Swyrydenko ist das neue, junge Gesicht der ukrainischen Politik. Die 39-jährige bisherige Vize-Premierministerin und Wirtschaftsexpertin soll neue Regierungschefin werden. Das ist der Wunsch von Präsident Wolodimir Selenski.
Swyrydenko werde die Arbeit der Regierung deutlich erneuern, versprach Selenski. Damit ist klar: Der langjährige Regierungschef Denys Schmyhal, ein Technokrat, muss seinen Rücktritt einreichen und seiner bisherigen Stellvertreterin Platz machen.
Das wird reine Formsache sein. Das Parlament dürfte grünes Licht geben. Denn die Partei des Präsidenten hat die absolute Mehrheit. Schmyhal soll neu das Verteidigungsdepartement übernehmen.
Guter Draht zu den USA
Swyrydenko ist ausgebildete Ökonomin und sitzt seit 2019 in der Regierung. Nach der russischen Grossinvasion kümmerte sie sich erfolgreich um das Anwerben internationaler Gelder. Sie machte sich einen Namen, als sie in diesem Frühling das umstrittene Mineralien-Abkommen mit den USA aushandelte.
Ihre guten Kontakte nach Washington dürften ein Grund für ihre Ernennung sein. Denn es ist ein offenes Geheimnis, dass der mächtige Stabschef des ukrainischen Präsidenten, Andrij Jermak, bei den Leuten von US-Präsident Donald Trump nicht gut ankommt.
Swyrydenko gilt als fähige und hart arbeitende Managerin. Auch Korruption scheint ihr fremd zu sein. Ausserdem sind Wirtschaftsfragen für ein Land, das vollständig von ausländischen Krediten abhängig ist, von zentraler Bedeutung.
Die Macht des Präsidenten wächst
Doch eine wirkliche Erneuerung der Regierung ist das nicht. Vielmehr wurden bisherigen Ministern neue Ressorts zugeteilt. Swyrydenko wird nachgesagt, sie stehe dem Präsidenten und dessen Stabschef noch näher als der bisherige Regierungschef Jermak.
Eine oppositionelle Parlamentarierin formulierte es so: Der zu 300 Prozent loyale Schmyhal werde durch die zu 500 Prozent loyale Swyrydenko abgelöst.
Das mag überspitzt formuliert sein. Aber es passt in eine Tendenz, die Beobachter und ukrainische Medien zunehmend beklagen: dass die Machtfülle von Präsident und Stabschef zunimmt und dass diese die demokratische Kontrolle zunehmend aushebeln.
Der Fall Schabunin
Jüngstes Beispiel sind die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den prominenten Anti-Korruptionsaktivisten Witalij Schabunin. Es geht offensichtlich darum, ihn einzuschüchtern und andere Kritiker ebenfalls.
Schabunin hatte den Präsidenten und auch das Verteidigungsministerium wiederholt scharf kritisiert. Und er forderte die europäischen Geldgeber auf, im Gegenzug für Hilfszahlungen Reformen von der ukrainischen Führung einzufordern.
Warnende Stimmen
Die Ukraine dürfe sich nicht in die Richtung des russischen Modells entwickeln, sondern müsse an den demokratischen Werten festhalten, warnen denn auch ukrainische Medien und Stimmen aus der Zivilgesellschaft. Denn sonst gebe es nichts mehr, wofür es sich zu kämpfen lohne, und Russland würde gewinnen.