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Neue Regierung in Südkorea Der designierte Arbeitsminister in Südkorea kommt aus dem Volk

In Südkorea soll ein Lokführer und Gewerkschafter Minister für Arbeit werden. Er will die Arbeitszeit verkürzen.

Der Lokführer Kim Young-Hoon wird wohl Arbeitsminister Südkoreas. Der neue Staatspräsident Lee Jae-Myung hat ihn nominiert. Kim soll davon bei der Arbeit erfahren haben, und zwar erst, nachdem sein Zug den Endbahnhof erreicht hatte. Fabian Kretschmer ist freier Journalist in Seoul. Er erklärt die Hintergründe.

Fabian Kretschmer

Journalist

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Der Journalist und Autor Fabian Kretschmer berichtet als freier Ostasienkorrespondent aus Seoul für diverse deutschsprachige Medien, darunter die österreichische «Die Presse» sowie die Berliner «Tageszeitung».

SRF News: Welches Signal sendet Südkoreas Präsident Lee Jae-Myung mit dieser Ernennung aus?

Fabian Kretschmer: Es ist eine symbolische Botschaft: Da ist jemand, der aus dem Volk kommt, der die Anliegen der einfachen Arbeiter versteht. Man kann Lee Jae-Myung vorwerfen, dass er zum Populismus tendiert. Positiv ausgedrückt könnte man aber auch sagen, dass er etwas von politischer Kommunikation versteht: Der neue Präsident Südkoreas hat offenbar begriffen, dass junge Leute in seinem Land den Eindruck haben, dass es im Leben wichtiger sei, ob man reiche Eltern hat als das, was man leistet. Und sie empfinden den Politbetrieb zunehmend als elitär.

Die Zivilgesellschaft und die NGOs feiern die Ernennung von Kim, weil er jemand ist, der sich für diejenigen eingesetzt hat, die sonst keine Stimmen haben.

Kim Young-Hoon ist nicht nur Lokführer, er war Präsident eines wichtigen Gewerkschaftsbundes. Wie kommt seine Ernennung in Südkorea an?

Da ist das Land zweigeteilt – wie bei fast allem, was Politik betrifft. Die Gesellschaft ist extrem polarisiert. Die Zivilgesellschaft und die NGOs feiern die Ernennung von Kim, weil er jemand ist, der sich für diejenigen eingesetzt hat, die sonst keine Stimmen haben. Zum Beispiel für Arbeitsmigranten. Von denen gibt es mittlerweile auch in Südkorea sehr viele aus Südostasien und Zentralasien. Doch für die Konservativen ist Kim ein rotes Tuch, weil er Gewerkschaftsaktivist war. Seine Gewerkschaft wird von rechts als radikal links porträtiert, quasi als halbkommunistisch. 

Welche Probleme wird Kim in erster Linie anpacken müssen?

Kim will einerseits das Problem der Arbeitszeiten angehen. In Südkorea wird nach wie vor viel mehr gearbeitet als im OECD-Durchschnitt. Gleichzeitig ist die Produktivität nicht sonderlich hoch. Kim will eine Viereinhalb-Tage-Woche einführen. Das ist in Südkorea revolutionär, weil es noch gar nicht so lange her ist, dass sechs Tage verpflichtend pro Woche gearbeitet wurde.

Kim wird wahrscheinlich das Rentenalter erhöhen müssen.

Kim will auch die Arbeitnehmerrechte stärken. Er möchte vor allem das Problem angehen, dass mittlerweile fast 40 Prozent der Arbeitnehmer prekär beschäftigt sind, nämlich über Subunternehmen und nicht fest angestellt. Dazu kommt, dass Sicherheitsstandards gerade für körperliche Arbeit kaum eingehalten werden. Industrieunfälle sind ein grosses Problem. Und das Rentenalter ist trotz der hohen Arbeitszeit in Südkorea relativ niedrig. Kim wird wahrscheinlich das Rentenalter erhöhen müssen. 

Ein Mann schaut aus einem Führerstand und grüsst
Legende: Kim Young-Hoon soll bei der Arbeit von seiner Nominierung zum Arbeitsminister erfahren haben. Keystone/Yonhap

Wird es in Südkorea mit dieser neuen Regierung politisch ruhiger?

Ja, das glaube ich schon. Der Leitindex in Südkorea ist mittlerweile so hoch wie seit über dreieinhalb Jahren nicht mehr. Das ist ein bisschen ironisch, weil Präsident Lee Jae-Myung aus dem linken Lager kommt und ihm vorgeworfen wurde, dass er die Wirtschaft eher bremst. 

Südkorea ist viel stabiler, als es noch vor ein paar Monaten aussah.

Momentan sieht es nach dem Gegenteil aus. Das hat mit der Stabilität zu tun. Lee Jae-Myung führt die Regierung an und seine Partei hat die Mehrheit im Parlament. Deswegen ist Südkorea de facto viel stabiler, als es noch vor ein paar Monaten aussah.

Das Gespräch führte Isabelle Maissen.

SRF 4 News, 26.6.2025, 6:45 Uhr ; 

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