Die Regierung Sánchez steht noch nicht, aber man kann sie heute schon als grosse Neuheit für Spanien bezeichnen. Pedro Sánchez wird mit der Linkspartei «Unidas Podemos» regieren. Das wird die erste Koalitionsregierung der immer noch jungen Demokratie in Spanien. Das ist ein Fortschritt. Koalitionen stehen für Machtteilung, für dauerndes Verhandeln der politischen Projekte; für Kompromisse.
Spanien hat just mit dieser Kunst keine Erfahrung. Daraus erklärt sich die Härte der politischen Auseinandersetzungen im Land, eben, diese erbitterte Kompromisslosigkeit. Wer nicht mein Freund ist, ist mein Feind.
Sánchez selbst hat nach den Wahlen im Frühjahr eine Koalition rundweg abgelehnt und damit Neuwahlen erzwungen. Und hat damit sein Lager im Parlament geschwächt.
Riskanter Pakt mit Separatisten
Plötzlich war dann eine Koalition etwas ganz Selbstverständliches. Sánchez und Podemos-Chef Iglesias verbrüderten sich und entwickelten ein ambitiöses Regierungsprogramm. Um es im Parlament durchzubringen, mussten sie allerdings Abkommen mit einem halben Dutzend weiterer, kleiner Parteien aushandeln. Keine ideale Ausgangslage für eine Regierung, die Neuland betritt. Der riskanteste Pakt war jener mit den katalanischen Republikanern – auch sie Linke, aber vor allem Separatisten.
Das reizte den ganzen Zorn der rechten Opposition, die in den katalanischen Unabhängigkeits-Parteien Verfassungsfeinde und Putschisten sieht. Und wer mit solchen paktiert oder nur schon verhandelt, ist ein Verräter. Das ist das Vokabular der alten Zeit, die noch ganz nah ist, die in einem Teil des Parlaments überlebt hat.
Regierung unter Druck
Die junge Koalitionsregierung, die in den kommenden Tagen vorgestellt wird, dürfte hart bedrängt werden. Die Rechte setzt auf eine Totalblockade und droht, mit allem, was ihr nicht passt, vors Verfassungsgericht zu ziehen. Eine starke Rechts-Presse steht auf ihrer Seite. Und die Grossfinanz beobachtet die Entwicklung wohl skeptisch bis ablehnend.
Die Separatisten wollen schnell mit Verhandlungen beginnen und Erfolge sehen. Die Republikaner stehen mit ihrer Dialog-Politik auch zu Hause in Katalonien unter Druck, denn die anderen beiden Unabhängigkeitsparteien lehnen Gespräche ab und setzen auf Konfrontation. Auch hier das alte Spanien – oder das alte Katalonien, wie man will.
Die Kleinparteien schliesslich werden akribisch aufpassen, dass ihre ausgehandelten Partikularinteressen auch gehörig bedient werden.
Keine Alternative
Spaniens politisches Experiment ist riskant: Erstmals eine Koalitionsregierung, Sonderpakte mit Kleinparteien und offene Verhandlungen mit katalanischen Separatisten. Und das alles gleichzeitig.
Das kann vier Jahre dauern. Aber auch viel weniger lang. Niemand weiss es. Sicher ist, dass es keine Alternative gibt. Die Zeit der Herrschaft einer einzigen Partei ist vorbei. Das ist eine gute Nachricht.