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Neue Russland-Sanktionen Die unmöglichen Forderungen aus Washington

Die EU arbeitet zurzeit an ihrem 19. Sanktionspaket gegen Russland. Am Freitag hat die EU-Kommission ihren Vorschlag an die Mitgliedstaaten übermittelt. Sie sollen unter anderem schärfere Sanktionen gegen die russische Finanzbranche umfassen. Der Plan, auf russisches Flüssiggas zu verzichten, soll zudem schneller umgesetzt werden. Alles in allem: Es ist etwas mehr von dem, was die EU bisher schon tut.

Doch eigentlich hatte man in Brüssel während des Sommers eine andere Hoffnung gehegt: Man wollte die Russland-Sanktionen künftig enger mit den USA koordinieren. Nur das würde den Druck auf den Kreml nochmals deutlich erhöhen, so die verbreitete Einschätzung unter EU-Diplomaten.

Trump-Verbündete kaufen russisches Öl

Doch daraus dürfte so schnell nichts werden. US-Präsident Trump lässt seit einer Woche verlauten, dass er zwar zu bedeutenden Sanktionen gegen Russland bereit sei, allerdings nur, wenn die europäischen Staaten aufhörten, russisches Öl zu kaufen. Hier hat er einen Punkt.

Erdölpumpen auf einem Feld, umgeben von Wäldern in Zentralrussland.
Legende: Pumpen ausserhalb von Almetyevsk in der Republik Tatarstan in Zentralrussland fördern Erdöl, dass teilweise auch in die EU geliefert wird. (Juli 2025) REUTERS / Stringer

Zwar hat die EU ihre Direktkäufe von russischem Rohöl seit Russlands Einmarsch in die Ukraine massiv reduziert. Doch noch immer kaufen die EU-Staaten Ungarn und Slowakei direkt russisches Öl. Beide Regierungen sehen in Donald Trump einen ideologischen Verbündeten. Nicht wenige in Brüssel hoffen, dass sie auf Trumps Forderungen vielleicht eher hören als auf alle Druckversuche aus Brüssel in den vergangenen Jahren.

Und dennoch sind Trumps Bedingungen für die EU ein Problem. Das Beispiel der Sanktionen zeigt, dass die Strategie der EU im Umgang mit Donald Trump an ihre Grenzen kommt. Die Europäer versuchen seit Trumps Amtsantritt, die transatlantische Allianz, wie sie während Jahrzehnten Bestand hatte, irgendwie am Leben zu halten.

Man war dafür in den vergangenen Monaten zu Schritten bereit, die noch vor Kurzem undenkbar waren. So versprachen die europäischen Nato-Partner (und Kanada) dem US-Präsidenten, künftig 5 Prozent des BIP in die Verteidigung zu investieren. Und auf einem Golfplatz in Schottland akzeptierte die EU-Kommission einen US-Zollsatz von 15 Prozent, ohne ihrerseits Gegenmassnahmen zu ergreifen – obwohl sie solche lange angekündigt und auch vorbereitet hatte.

Amerikanische Absage an Europa

Und jetzt also Trumps Forderung nach einem vollständigen Ölstopp als Bedingung für amerikanischen Sanktionen. Das Problem der EU: Trump richtet die Forderung nicht an sie, sondern an alle Nato-Staaten. Zu diesen gehört zum Beispiel auch die Türkei. Das Nicht-EU-Land importiert laut Schätzungen zehnmal mehr Öl aus Russland als die Slowakei und Ungarn zusammen. Und das ausserhalb des Einflusses von Brüssel.

Zudem fordert Trump, dass die Europäer Zölle von 50 bis 100 Prozent gegen Indien und China verhängen. Für die wirtschaftlich vor allem stark von China abhängige EU ist das keine ernsthafte Option.

Donald Trump fordert von den Europäern Dinge, die sie gar nicht einlösen können. Es ist de facto eine Absage an die europäischen Hoffnungen, dass die USA den Sanktionsdruck auf Russland bald in enger Zusammenarbeit mit der EU erhöhen werden. Und es ist ein weiterer Beleg dafür, was Europa seit Trumps Amtsantritt in zuverlässiger Regelmässigkeit vor Augen geführt bekommt: Die USA sind für Europa kein Partner mehr, auf den man sich verlassen kann.

Andreas Reich

EU-Korrespondent

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Andreas Reich ist seit November 2022 TV-Korrespondent von SRF in Brüssel. Zuvor arbeitete der studierte Jurist als Auslandredaktor und Onlineproduzent im SRF-Newsroom in Zürich und berichtete als freier Reporter aus Südosteuropa.

Info 3, 19.9.2025, 17 Uhr; liea

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