Frischer Wind bei den deutschen Sozialdemokraten: Die Chefetage wird jünger und weiblicher. Die Arbeitsministerin Bärbel Bas soll Co-Parteipräsidentin werden, zusammen mit Vizekanzler Lars Klingbeil. Es gilt als ziemlich sicher, dass sie im Juni gewählt wird. Die gesamte Sachlage erläutert Politikkennerin Claudia Kade.
SRF News: Wer ist Bärbel Bas?
Claudia Kade: Bas ist eine Frau mit einer Biografie, wie sie in der SPD-Führungsebene selten geworden ist. Sie ist die Tochter eines Busfahrers und einer Hausfrau und stammt aus einer grossen Familie.
Sie hat nur einen Hauptschulabschluss, den tiefsten Schulabschluss in Deutschland. Dann hat sie sich über verschiedene Ausbildungsgänge hochgearbeitet. Davon, eine Bildungsaufsteigerin auf der höchsten Ebene zu haben, versprechen sich viele etwas.
In welche Richtung geht die Partei mit Bärbel Bas als Co-Präsidentin?
Die grosse Frage ist, ob Bas der Partei ihren Stempel aufdrücken wird oder ob sie eher Co-Vorsitzende von Lars Klingbeil wird. Klingbeil hat sich nach der schweren Niederlage der Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl Ende Februar selbst in die Poleposition geschoben. Er war da Parteichef und ist eigentlich mitverantwortlich für die sehr schlechte Wahlperformance der SPD. Doch er ist eine der unbestrittenen Führungsfiguren in der SPD. Klingbeil ist Parteichef, Finanzminister und Vizekanzler. Es wird sich zeigen, welche Kraft Bärbel Bas entwickeln kann, um neben ihm noch eigene Akzente zu setzen.
In der Parteilinken gibt es grosse Befürchtungen, dass Bärbel Bas zugunsten der Einigkeit der Partei kein grosses Risiko eingehen wird.
Salopp ausgedrückt: Sie hat einen starken Mann an ihrer Seite. Und sie wird eine Doppelrolle als Parteichefin und Ministerin haben. Wie schwierig wird das?
Genau das ist das Problem, das Bärbel Bas hat. Der linke Flügel erhofft sich, dass sie ein Gegengewicht zu Klingbeil wird, das verhindert, dass sich die SPD in der Koalition mit den Unionsparteien, mit CDU und CSU, zu konservativ aufstellt. Aber sie ist gleichzeitig Ministerin. Sie ist eingebunden in die Kabinettsdisziplin unter Bundeskanzler Friedrich Merz von der CDU. Daher ist es interessant, wie Bas das ausbalancieren wird. In der Parteilinken gibt es Befürchtungen, dass sie zugunsten der Einigkeit der Partei kein grosses Risiko eingehen wird.
Man hat die Sorge, dass sich Klingbeil für Leute entschieden hat, die eher ergänzend als konkurrierend zu ihm auftreten werden.
Als neuer Generalsekretär wurde Tim Klüssendorf vorgeschlagen. Was wird seine Rolle in der SPD-Parteispitze sein?
Klüssendorf gehört zum linken Flügel. Er ist ein sehr junger und steil aufgestiegener Parteilinker. Seine Aufgabe ist klassischerweise, Wahlkämpfe zu organisieren. Da erhofft man sich, dass er einen modernen Kampagnenstil einführen wird, dass er sich mit Social Media besser auskennt als seine Vorgänger.
Aber auch da gibt es die Sorge in der Partei, dass ein so junger, aufstrebender Mann Gefahr laufen könnte, sozusagen in Dankbarkeit zu erstarren. Vielleicht ist dies das Kalkül von Klingbeil. Denn eigentlich könnte der linke Flügel der SPD nun aufatmen, da ihn Bas und Klüssendorf beide vertreten. Aber man hat die Sorge, dass sich Klingbeil für Leute entschieden hat, die eher ergänzend als konkurrierend zu ihm auftreten werden.
Das Gespräch führte Vera Deragisch.