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Neue US-Sanktionen gegen Iran «Der Druck auf Präsident Rohani ist riesig»

Seit Aufkündigung des Atomabkommens durch US-Präsident Donald Trump hat sich die wirtschaftliche Lage in Iran massiv verschlechtert. Die Währung Rial ist abgestürzt. Die Folge: Wut und Proteste in der Bevölkerung.

Für die iranische Führung werde es nun richtig schwierig, sagt Reinhard Baumgarten, der das Land gut kennt. So richtig schlimm werde es allerdings ab November: Dann wollen die USA jegliche Ölexporte Irans abklemmen.

Reinhard Baumgarten

Journalist

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Reinhard Baumgarten war während mehrerer Jahre Nahost-Korrespondent der ARD in Istanbul. Zu seinen Berichtländern gehörte auch Iran. Inzwischen arbeitet er als Ausland-Redaktor beim SWR.

SRF News: Die iranische Wirtschaft leidet schon jetzt stark. Wird es mit den neuen Sanktionen durch die USA nochmals enger?

Reinhard Baumgarten: Die Situation wird sich weiter verschärfen, falls die Inflation in Iran weiter ansteigt. Die Lebensmittelpreise sind allein in den letzten Wochen um rund 40 Prozent gestiegen. Wenn nun die Importgüter nochmals teurer werden, wird es noch kritischer.

Wie spüren die Iranerinnen und Iraner den Wertverlust der Währung Rial?

Ihr Geld ist immer weniger wert. Beim Einkaufen erhält man für den gleichen Betrag immer weniger Ware – sei es nun beim Gemüsehändler oder beim Metzger. Auch die Mieten steigen. Das Leben insgesamt wird teurer. Das führte in letzter Zeit immer wieder zu Protesten im ganzen Land. In den letzten Tagen ist es in Teheran, Isfahan oder in Karadsch zu Demonstrationen gekommen. Dabei ist eine Person ums Leben gekommen.

Viele Iraner prangern die Misswirtschaft in Iran an.

Es gibt eine grosse Welle der Unzufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik. Bei den Protesten kommen aber auch andere Slogans zum Tragen – so etwa die Forderung, dass sich das Regime ändern und reformieren solle. Viele Iraner haben das Gefühl, es liege nicht ausschliesslich an Donald Trump und den Sanktionen. Sie prangern auch die Misswirtschaft in Iran selber an.

Wie gross ist inzwischen der innenpolitische Druck auf Präsident Hassan Rohani?

Riesig. Rohani befindet sich zwischen Hammer und Amboss, er hat nur ganz wenig Spielraum. Seit 2015 hat er versucht, wirtschaftliche Reformen einzuleiten – und er hat sich am massiven Einfluss der Revolutionsgarden die Zähne ausgebissen. Die Revolutionsgarden beherrschen laut Schätzungen bis zu 40 Prozent der iranischen Wirtschaft. Hinzu kommt die Obstruktionspolitik der Amerikaner, die grosse internationale Geschäfte verunmöglicht hat. Die Wirtschaftslage in Iran ist inzwischen verheerend.

Die USA drohen allen mit Sanktionen, die Geschäfte mit Iran machen.

Nicht nur feiert die Misswirtschaft nach wie vor Urständ; im Zuge der US-Sanktionen ziehen sich auch die Europäer fast gänzlich aus Iran zurück. Weil die Amerikaner allen, die mit Iran weiterhin Geschäfte machen, ebenfalls mit Sanktionen drohen. Das schreckt viele ab. Iran hatte nach Abschluss des Atomabkommens mittelfristig auf ausländische Investitionen in Höhe von bis zu 60 Milliarden Dollar gehofft. Doch das ist überhaupt nicht eingetreten.

Rohani vor Mikrofonen.
Legende: Präsident Hassan Rohani steht unter immensem Druck. Reuters

Können Länder wie China und Russland für die ausbleibenden Investitionen aus dem Westen in die Bresche springen?

Sie können die Ausfälle etwas abfedern, aber sie können die neuen Sanktionen nicht vollständig ersetzen. China ist der grösste Handelspartner Irans. Rund 27 Prozent der iranischen Ölexporte gehen ins Reich der Mitte. Dieser Anteil wird nun möglicherweise grösser. Doch damit wächst auch die Abhängigkeit Irans von China. Russland seinerseits wird sich den neuen Sanktionen der USA ebenfalls nicht anschliessen. Damit wird Teheran verstärkt in Richtung China und Russland gedrängt. Das kann den Europäern alles andere als recht sein. Insgesamt bringt die Situation sowohl Iran wie auch den Europäern Nachteile.

Die USA wollen, dass niemand mehr iranisches Erdöl kauft.

Die USA setzen jetzt eine erste Tranche an Sanktionen gegen Iran in Kraft, eine zweite Welle soll in drei Monaten folgen. Was kommt da auf Teheran zu?

Ab November wird es richtig böse für Iran. Die USA wollen dann durchsetzen, dass niemand mehr iranisches Erdöl kauft – obschon offen ist, ob das völkerrechtlich zulässig ist. Damit bringt Trump einen richtigen Wirtschaftskrieg gegen Iran auf den Weg. Iran exportiert derzeit rund 2,7 Millionen Fass Öl pro Tag. Diese Menge dürfte ab November massiv auf vielleicht noch 1 Million Fass hinuntergehen – falls überhaupt noch etwas exportiert werden kann.

Kann Iran dem von Trump angezettelten Wirtschaftskrieg etwas entgegenhalten?

Nur, wenn Peking und Moskau Iran die Treue halten – und das wird für Teheran teuer werden. Die Chinesen werden dann sicher nicht mehr so viel für ein Fass Öl bezahlen wie jetzt. Für Iran ist der europäische Markt immens wichtig – nicht nur als Ölabnehmer, sondern was Investoren, Kunden und Geschäftspartner betrifft. Doch dieser Markt ist auf unabsehbare Zeit so gut wie weg.

Als Ultima Ratio könnte Iran die Strasse von Hormus sperren.

Was kann Teheran ganz konkret unternehmen, um sich gegen die US-Sanktionen zu wehren?

Iran könnte als Ultima Ratio die Strasse von Hormus sperren. Durch diese Meerenge im Persischen Golf werden 25 bis 35 Prozent des Weltbedarfs an Erdöl transportiert. In den letzten Tagen haben die iranischen Revolutionsgarden dort tatsächlich Manöver abgehalten und geübt, wie man die Enge am schnellsten sperren kann. Das wäre allerdings der Casus Belli. Darum würden die Iraner das erst ins Auge fassen, falls sie tatsächlich kein Öl mehr verkaufen könnten.

Das Gespräch führte Teresa Delgado.

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