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Einschränkung des Demonstrationsrechts
Aus Echo der Zeit vom 05.02.2019. Bild: Keystone
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Neues Demonstrationsrecht «Es ist eine Verrücktheit, für ein solches Gesetz zu stimmen»

Frankreichs Regierung soll Demonstrationen verbieten oder Aktivisten präventiv in Haft nehmen können. Die Kritik ist gross.

So offen werden Vorlagen von Frankreichs Regierung durch Abgeordnete von «La République en Marche» selten kritisiert.

Die Regierung wollte im Eilverfahren Grundfreiheiten einschränken, die wir als Parlament schützen müssen.
Autor: Sacha Houilé La République En Marche

Der Gesetzesentwurf für das neue Demonstrationsrecht sei untauglich, erklärte Sacha Houilé, einst Gründungsmitglied der Bewegung «Jugend für Macron» und jetzt Mitglied der Rechtskommission des Parlaments: «Ein grosser Teil der Massnahmen war nicht verhältnismässig, ein grosser Teil der Massnahmen war gar nicht anwendbar. Die Regierung wollte im Eilverfahren Grundfreiheiten einschränken, die wir als Parlament schützen müssen.»

Demonstrationsfreiheit empfindlich eingeschränkt

Was der parteiinternen Opposition bei «En Marche» die Kritik erleichtert: Das Gesetz wurde ursprünglich im Senat geschrieben. Von den oppositionellen Republikanern, die dort die Mehrheit stellen. Die Regierung hatte diesen Entwurf im Januar übernommen, weil sie schnell handeln wollte.

Die Nationalversammlung hat die Vorlage nun in einigen Punkten abgeschwächt. Aber auch so schränkt das neue Gesetz die Demonstrationsfreiheit empfindlich ein.

Das sind die Verschärfungen im Gesetz

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  • Höhere Strafen: Wer unbewilligte Demonstrationen durchführt oder daran teilnimmt, muss künftig nicht nur mit einer Busse, sondern auch mit einer Gefängnisstrafe rechnen.
  • Vermummungsverbot: Wer sein Gesicht bei Demonstrationen ohne legitimen Grund teilweise oder ganz verdeckt, dem droht neu eine Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr, sowie eine Busse von 15'000 Euro.
  • Demonstrationsverbot für «Radikale»: Neu dürfen Präfekte gegen einzelne Aktivisten ein Demonstrationsverbot erlassen, wenn diese als besonders radikal gelten.

Besonders umstritten war im Parlament das Demonstrationsverbot für Aktivisten, die als besonders radikal gelten. Eine Minderheit des Parlaments wollte für ein solches Verbot zumindest das Urteil eines Richters – wie bisher. Um die Allgemeinheit zu schützen, dürfe das Parlament nicht die verfassungsmässigen Rechte der Einzelnen einschränken, sagte En-Marche-Vertreterin Martine Wonner.

Ich weiss nicht, was eine radikale Gesinnung sein soll.
Autor: Jean-Pierre Mignard Nationale Ethik-Kommission

Die neue Vorschrift wird auch ausserhalb des Parlaments heftig kritisiert – von Anwälten zum Beispiel wie Jean-Pierre Mignard, Mitglied der nationalen Ethik-Kommission: «Ich weiss nicht, was eine radikale Gesinnung sein soll. Man muss einen Tatbestand beurteilen, ein Delikt, für das es Strafen gibt. Man soll ein Gesetz schaffen, das den Strafrahmen vorgibt. Aber es sind die Richter, die einen konkreten Fall entscheiden müssen und nicht die Präfekten mit einem Verwaltungsakt.»

Aushöhlung des Rechtsstaats?

Für den Anwalt und prominenten Sympathisanten von Präsident Macron höhlt das neuen Gesetz den Rechtsstaat aus – für Innenminister Christophe Castaner geht es dagegen um eine kleine Minderheit von Schlägertypen, die jede Woche zuschlagen würden. Man wolle die Millionen Franzosen gegen diese paar Tausend Schläger verteidigen.

Das ist ja wie zu Zeiten der Vichy-Regierung!
Autor: Charles de Courson Les Centristes

Die Debatte um das neue Demonstrationsrecht ist geprägt von den Ausschreitungen seit Beginn der Protestbewegung «Gilets Jaunes». Dabei habe die Regierung jedes Mass verloren. Dies behauptet zumindest der konservative Christdemokrat Charles de Courson: «Das ist ja wie zu Zeiten der Vichy-Regierung! Man verdächtigt Sie als Kritiker, und Sie werden dafür von der Verwaltung festgenommen. Was geschieht, wenn die Regierung wechselt? Wenn Sie in der Opposition sind, und die extreme Rechte an der Macht ist? Es ist eine Verrücktheit, für ein solches Gesetz zu stimmen.»

Das Ringen geht weiter

Das politische Ringen um das neue Demonstrationsrecht ist mit der Abstimmung in der Nationalversammlung noch nicht abgeschlossen. Das Gesetz geht zur zweiten Lesung an den Senat zurück. Die Republikaner, die dort über die Mehrheit verfügen, haben bereits angekündigt, dass sie auf ihre ursprüngliche Version zurückkommen wollen.

Eines ihrer Ziele hat die Regierung damit bereits verpasst. Bis das neue Demonstrationsrecht in Kraft trifft, dürfte es noch länger dauern.

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