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Reaktion auf Gewalteskalation Frankreich beschneidet Demonstrationsfreiheit

  • Nach den neuen, gewalttätigen Ausschreitungen bei Demonstrationen der «Gelbwesten» will die französische Regierung ihren Sicherheitskurs und den Bussenkatalog verschärfen.
  • Ein Verstoss gegen das Vermummungsverbot soll mit einem Jahr Gefängnis und 15'000 Euro Busse bestraft werden.
  • Für potenziell gewaltbereite Personen ist ein Demonstrationsverbot vorgesehen, Krawallmacher sollen künftig fichiert werden.

«Das ist total absurd, man glaubt sich zurück im Vichy-Régime!», empört sich der zentristische Abgeordnete Charles de Courson in der Nationalversammlung. «Ihr schlagt vor, warmes Wasser neu zu erfinden!», enerviert sich dagegen der Republikaner Eric Ciotti.

Den einen geht der Entwurf des «loi anticasseurs», des neuen Anti-Krawallanten-Gesetzes viel zu weit, für die andern ist er zahnlos geworden. Bis spät in die Nacht zerpflückt die Assemblée den von der republikanischen Rechten im Senat eingebrachten Entwurf; es kamen gegen 200 Änderungsanträge zusammen.

Paradigmenwechsel

Für rote Köpfe sorgt insbesondere Paragraph zwei: Neu soll ein Polizeipräfekt und nicht ein Richter darüber entscheiden können, wer demonstrieren darf und wer nicht. Mit einem Demonstrationsverbot belegt werden kann, wer «eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung» darstellt, aufgrund seines Verhaltens an Demonstrationen, welche in «Gewalt gegen Personen und Sachen» ausartet.

«Das ist ein Paradigmenwechsel», kritisiert Arié Alimi, Anwalt und Mitglied der französischen Liga für Menschenrechte gegenüber der Tagesschau. «Statt wie bisher Gewalttaten zu bestrafen, sollen sie präventiv verhindert werden, indem man das verfassungsrechtliche Demonstrationsrecht beschneidet.»

Verschärft wurde auch das Vermummungsverbot. Sich «ohne Grund» das Gesicht teilweise oder ganz zu verhüllen, soll künftig mit einem Jahr Gefängnis und 15'000 Euro Busse sanktioniert werden.

Abgeschwächt hat die Nationalversammlung die geplante Fichierung von Randalierern. Es sollen nicht ad hoc alle Krawallmacher registriert werden, sondern lediglich Personen, die mit einem Demonstrationsverbot belegt wurden.

Nur Randalierer im Visier

Innenminister Christophe Castaner versichert, dass das Verbot lediglich 50, vielleicht 100 der Polizei bekannte Krawallmacher betreffe; extremistische Grüppchen, die nur an Demonstrationen teilnehmen, um alles zu zerschlagen, um zu plündern.

Dafür seien bestehende Gesetze ausreichend, monieren Kritiker. «Demonstrationsverbote, Fichen, dieses Gesetz gibt der Regierung die Macht, ihre politischen Gegner am Demonstrieren zu hindern», betont Arié Alimi.

Sicherheitsventil

Der Anwalt hält das Gesetz auch für einen politischen Fehler: «Nimmt man dem Volk die Möglichkeit, seine Frustration, seine Ängste und seine Wut auszudrücken, dann beraubt sich der Staat eines Ventils.» Das einzige Gegengewicht zur Zentralisierung der politischen Gewalt in Frankreich sei die Strasse. Der republikanische Eric Ciotti widerspricht vehement: «Demonstrieren ist ein Freiheitsrecht, Randalieren nicht.»

Die Nationalversammlung stimmt voraussichtlich am 5. Februar über den Gesetzesentwurf ab. Dann geht die Vorlage zurück in den Senat, der ab dem 12. März erneut berät.

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