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Neues Sicherheitsgesetz Ein schwerer Schlag für Hongkongs Demokratiebewegung

Noch schlimmer als befürchtet, das hört man auf Hongkongs Strassen heute, wenn man nach dem Nationalen Sicherheitsgesetz fragt. Am Vorabend des Jahrestags von Hongkongs Rückkehr zu China hat Peking deutlich gemacht, dass es spätestens ab jetzt das letzte Wort hat.

Das neue Gesetz sieht sogar ein eigenes Büro vor, in dem chinesische Sicherheitsbeamte auf Hongkonger Boden tätig sein werden. Auch ausländische Medien und Nichtregierungsorganisationen dürfen von den chinesischen Behörden in der Stadt belangt werden.

Von «ein Land, zwei Systeme» bleibt nicht viel übrig

Zudem steht das Nationale Sicherheitsgesetz über dem Hongkonger Gesetz. Auch das ist für viele Beobachter ein Grund zur Sorge. Von Hongkongs Autonomie, der Formel «ein Land, zwei Systeme», die China und Grossbritannien gemeinsam ausgehandelt hatten – davon scheint nicht mehr viel übrig.

Auch die Art und Weise, wie das Gesetz in Kraft trat, ist bezeichnend für die Vorgehensweise der Behörden in Peking und Hongkong. So wollte sich die Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam gestern früh an der Pressekonferenz nicht einmal zum Inhalt äussern. Der genaue Text wurde erst kurz vor Mitternacht Ortszeit überhaupt veröffentlicht, und das Gesetz trat dann auch schon am Dienstag in Kraft.

Für die Hongkonger Demokratiebewegung ist das ein schwerer Schlag. Das zeigte sich auch bei bekannten Köpfen der Bewegung wie Joshua Wong oder Agnes Chow, die ihre Organisation auflösten. Weitere Organisationen kündigten gar an, Hongkong zu verlassen.

Hoffnung auf demokratische Reformen sind zerstört

Die Aufbruchstimmung von vor einem Jahr scheint plötzlich sehr weit weg. Damals ging die Hongkonger Bevölkerung zu hunderttausenden auf die Strasse. Die Massenproteste führten sogar dazu, dass die Hongkonger Regierung ein geplantes Auslieferungsgesetz wieder zurückzog.

Die Hongkongerinnen und Hongkonger gaben sich damit nicht zufrieden, sondern stellten weitere Forderungen – zum Beispiel, dass sie ihre Regierungschefin selbst wählen dürfen. Die Hoffnung auf echte Autonomie oder gar auf demokratische Reformen scheint spätestens seit letzter Nacht zerstört.

Martin Aldrovandi

Südostasien-Korrespondent

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Martin Aldrovandi berichtet seit Frühjahr 2023 als Korrespondent für Radio SRF aus Südostasien. Zuvor war er von 2016 bis Sommer 2022 Korrespondent für Radio SRF in Nordostasien mit Sitz in Schanghai. Davor hatte er mehrere Jahre lang als freier Journalist aus dem chinesischsprachigen Raum berichtet.

Heute Morgen 01.07.2020, 06:00 Uhr; fulu

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