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Beirut: Neun Monate nach der Explosion im Hafen
Aus Echo der Zeit vom 07.05.2021. Bild: SRF Susanne Brunner
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Neun Monate nach der Explosion Wut und Trauer in den Ruinen von Beirut

Die Mahnwachen der Angehörigen der Explosionsopfer sind Sinnbild für den desolaten Zustand des kleinen Mittelmeerstaates.

Dienstagabend, vor Sonnenuntergang, am Hafen von Beirut: ein paar Dutzend Frauen, Männer und Kinder, viele schwarz gekleidet, versammeln sich mit Bildern ihrer Angehörigen. Vor genau neun Monaten kamen diese in der verheerenden Explosion um, die ganze Quartiere der libanesischen Hauptstadt verwüstete.

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Aus dem Archiv: Schwere Explosion am Hafen in Beirut
Aus Tagesschau vom 04.08.2020.
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Die Szene hat etwas Apokalaptisches: auf der einen Seite stehen die riesigen, komplett zerstörten Silos des nationalen Getreidespeichers. Auf der anderen Seite Hochhäuser ohne Fenster: man sieht die heruntergestürzten Decken der einzelnen Wohnungen, das zerstörte Mobiliar. In Richtung einer dieser Wohnungen schaut ein Mann mit schütterem Haar und einer Corona-Maske. Er hält einen grossen, verzierten Bildrahmen. Auf dem Bild: eine junge Frau mit langem braunen Haar, die versunken lächelt.

Keine Antworten, keine Entschädigung, keine Regierung

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Neun Monate sind vergangen seit der verheerenden Explosion im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut im letzten Sommer. Über 200 Menschen kamen dabei ums Leben, Tausende wurden verletzt, über 300’000 Menschen verloren ihre Wohnungen und Häuser. Die Ursache der Explosion ist bis heute ungeklärt. Die Untersuchung stockt, Angehörige von Opfern der Katastrophe warten auf Antworten, Entschädigungen und Gerechtigkeit. Aber: Libanon hat seit den Tagen nach der Explosion nicht einmal eine Regierung.

«Das ist Nicole, sie war 25 Jahre alt,» sagt ihr trauernder Vater, Magid Helou. Er erzählt, dass sie Karriere in einer Bank machen wollte. Und zeigt auf eines der schwer beschädigten Häuser auf der gegenüberliegenden Strassenseite. «Sie trank dort im ersten Stock mit ihrem Freund einen Café, als die Explosion geschah.» Magid Helous Tochter hatte keine Chance. Für ihren Tod macht ihr Vater die Politiker verantwortlich.

«Alle wussten, dass im Hafen Ammoniumnitrat gelagert wird», sagt er. Gehandelt habe keiner. Bevor er weiterreden kann, passieren zwei Sachen gleichzeitig: Eine Gruppe der Trauernden beginnt sich über Hassan Nasrallah zu streiten, den Chef der radikalislamischen Hisbollah: die einen geben der schwerbewaffneten Hisbollah-Miliz schuld an der Explosion, ein Hisbollah-Anhänger wehrt sich vehement gegen die Vorwürfe.

Und in dem Moment giessen ein paar Christen Öl ins Feuer, indem sie in einem Fahrzeug mit lauter Musik und einer grossen Maria-Statue vorfahren.

Ein Teil der Trauernden versucht die Streitenden zu beschwichtigen, und gibt den Leuten auf dem Jungfrau Maria-Mobil ein Zeichen, wegzufahren. Es dauert jedoch einen Moment, bis alle zum eigentlichen Zweck des Protests und der Gedenkfeier zurückkehren: den Getöteten der Explosionskatastrophe zu gedenken und Ermittlungen zu fordern.

Niemand will verantwortlich sein

«Wir wollen die Verantwortlichen im Gefängnis sehen!» ruft eine Rednerin. Der Schluss ihrer Rede geht in der Musik unter, die aus dem Fahrzeug mit der Mariastatue dröhnt. Die Gruppe, die sich wegen der Hisbollah gestritten hat, hat sich indessen beruhigt. Magid Helou hat nur noch einen Kommentar: «Sie sind alle schuld an diesem Verbrechen». sagt er.

Neun Monate nach der Explosionskatastrophe streiten sich die Führer der verschiedenen konfessionellen Parteien noch immer um die Bildung einer neuen Regierung – Verantwortung für die Explosionskatastrophe will – wie so oft in Libanon – niemand übernehmen.

Echo der Zeit, 07.05.2021, 18 Uhr

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