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Nichteinladungen und Absagen Der Amerika-Gipfel schliesst mit einer Erklärung zur Migration

Worum ging es? Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hatte sich drei Tage lang in Los Angeles zu ihrem 9. Gipfel getroffen. US-Präsident Joe Biden wollte beim Treffen den Beziehungen zwischen Nord-, Mittel- und Südamerika sowie der Karibik einen neuen Impuls geben. Dies auch angesichts der wachsenden Präsenz Chinas in der Region. Zum Abschluss des Treffens wollen die USA eine gemeinsame Erklärung zur Migration vorlegen. Dabei soll die illegale Migration in die USA gebremst werden, indem die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern verbessert werden. 

Diplomatischer SRF-Korrespondent Fredy Gsteiger schätzt ein

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Der nur alle drei Jahre stattfindende Amerika-Gipfel begann mühsam. Doch er endete mit einem Teilerfolg: Zwanzig Staaten Nord- und Südamerikas einigten sich auf einen Migrationspakt. Sie verpflichten sich damit, in Flüchtlings- und Migrationsfragen enger zu kooperieren.

Weil die USA als Gastgeber die drei Diktaturen Venezuela, Kuba und Nicaragua nicht zum Amerika-Gipfel nach Los Angeles eingeladen hatten, blieben aus Protest mehrere andere Präsidenten fern, darunter der mexikanische. Das zeigte den schwindenden Einfluss der USA in Lateinamerika. Früher hätten es sich dessen Staatschefs nicht erlaubt, die Vereinigten Staaten zu brüskieren. Doch heute haben sie mit China einen alternativen, mächtigen Partner. Peking wird in Süd- und Mittelamerika immer mächtiger. Als Handelspartner und Investor.

Zu Beginn des Gipfels war die Stimmung aufgrund der heftigen Auseinandersetzungen bereits im Vorfeld überaus angespannt. US-Präsident Joe Biden räumte auch noch beim Abschlussdiner Differenzen ein. In vielen zentralen Fragen stimme man indes überein, ergänzte er. Das hingegen ist eine sehr optimistische Interpretation.

Immerhin reichte es am Ende zu einer Einigung beim Thema Migration. Biden verspricht sich von der beschlossenen Migrationspartnerschaft eine neue Art, mit dem Problem umzugehen. Er spricht von geteilter Verantwortung. Konkret geht es um Hilfe für Länder, die sehr viele Flüchtlinge und Migranten aufnehmen, darum reguläre Einwanderung zu ermöglichen, um gegenseitige Unterstützung in Notsituationen und um humanere Grenzregime. Die USA versprechen, in den nächsten zwei Jahren 20'000 Flüchtlinge aufzunehmen. Sonderlich ehrgeizig erscheinen die Ziele der Vereinbarung nicht. Doch Biden schaffte es damit, seinen Gipfel halbwegs zu retten.

Was waren die wichtigsten Beschlüsse? Zum Abschluss schafften es die 20 Länder dann trotz einiger Eklats, eine gemeinsame Erklärung zur Migration zu verabschieden. «Die durch die Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise und die politischen Unruhen in autoritären Ländern haben zu Rekordzahlen bei der Migration geführt», sagte US-Präsident Joe Biden. «Keine Nation sollte diese Verantwortung allein tragen».

Angesichts der grossen Migrationsbewegungen zwischen Süd-, Mittel- und Nordamerika sowie der Karibik wollen die Staaten künftig enger zusammenarbeiten. Ziel der gemeinsamen Erklärung ist es, die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern zu verbessern, legale Arbeitsmigration zu erleichtern und den Kampf gegen Schlepperbanden zu verstärken.

Warum kam es zu einem diplomatischen Konflikt? Bereits vor Beginn des Gipfels kam es zum Streit, weil die US-Regierung die Präsidenten von Kuba, Venezuela und Nicaragua nicht zum Treffen eingeladen hatte. Daraufhin sagten mehrere linke Regierungschefs wie Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador, Boliviens Staatschef Luis Arce und die honduranische Präsidentin Xiomara Castro ihre Teilnahme ab. Auch die Staats- und Regierungschefs aus El Salvador, Guatemala, Uruguay und zwei kleinen Karibikstaaten blieben dem Gipfeltreffen fern. 

Wie reagierten die anderen Gipfel-Teilnehmer? Argentiniens Präsident Alberto Fernández machte sich zum Sprecher der ausgeladenen Staaten und kritisierte die US-Regierung: «Wir hätten uns einen anderen Amerika-Gipfel gewünscht: Das Schweigen der Abwesenden klagt uns an.» Auch der Premierminister von Belize, John Briceño, rügte die USA. «Es ist unentschuldbar, dass einige Länder des amerikanischen Kontinents nicht anwesend sind. Die Geografie, nicht die Politik, definiert Amerika.» 

Was bedeuteten die Absagen? Die USA wollen die illegale Migration bremsen und dafür die lateinamerikanischen Länder in die Pflicht nehmen. Der Gipfel-Boykott der Präsidenten von Mexiko, Guatemala, Honduras und Salvador könnte diesen Migrationsplan aber massiv schwächen. Denn ausgerechnet aus diesen Ländern kommen die Menschen, die wegen Gewalt und Armut ihre Heimat verlassen und auf ein besseres Leben in den USA hoffen.

Was können die USA noch anbieten? US-Vizepräsidentin Kamala Harris kündigte Investitionen privater Unternehmen in Mittelamerika in Höhe von 1.9 Milliarden Dollar an. Zur Stärkung des Gesundheitssektors nach der Corona-Pandemie sollen in Lateinamerika und der Karibik zudem 500’000 Ärzte und Pflegefachpersonal ausgebildet werden. Über eine «Partnerschaft für wirtschaftlichen Wohlstand» wollen die USA die Lieferketten in der Region stärken, Investitionen vereinfachen und Stellen im Bereich der erneuerbaren Energien schaffen.

Tagesschau, 10.06.2022, 12:45 Uhr ; 

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