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Polen gewinnt vor EU-Gericht im Streit über Opal-Gasleitung
Aus Echo der Zeit vom 10.09.2019. Bild: Imago
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Nord-Stream-Pipeline «Für die deutsche Regierung ist es eine grosse Ohrfeige»

Die Pipelines Nord Stream 1 und 2 transportieren Erdgas von Russland nach Deutschland. Polen und die baltischen Staaten fürchten um ihre Energiesicherheit, die EU mache sich zu stark abhängig von Russland. Gazprom durfte bis 2016 zur Sicherung des Wettbewerbs zunächst nur die Hälte der Leitungskapazitäten der Erdgasleitung Opal nutzen, eine Verlängerung von Nord Stream nach Tschechien und Deutschland. Als die EU-Kommission dem russischen Energiekonzern Gazprom die Erlaubnis erteilte, diese Erdgasleitung doch stärker zu nutzen – und zwar zu 80 Prozent statt zu 50 Prozent – da ging Polen vor Gericht. Nun die Überraschung: EU-Richter haben eine Klage von Polen gutgeheissen. Laut Frank Umbach könnte der jetzige Entscheid Signalwirkung haben.

Frank Umbach

Frank Umbach

Wissenschaftler

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Der Deutsche ist Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt Energiesicherheit und Sicherheitspolitik. Seit 2014 ist er Forschungsdirektor am European Centre for Energy and Resource Security am King’s College London.

SRF News: Hat Sie das Urteil überrascht?

Frank Umbach: Es hat mich insofern überrascht, weil die polnische Argumentation, dass es sich hierbei um eine Einführung einer neuen Ausnahmeregelung gehandelt habe, nicht akzeptiert worden ist. Der EuGH argumentiert damit, dass es sich nur um eine Änderung einer bestehenden Ausnahme handelt. Die Kommission selbst habe gegen ihren eigenen Grundsatz der politischen Solidarität im Energiesektor verstossen.

Welche Konsequenzen hat das Urteil nun?

Alle Pipelines an Land innerhalb der EU unterliegen einer gemeinsamen Regulierung, die sicherstellt, dass eine Pipeline nur zu 50 Prozent von den verantwortlichen Firmen genutzt werden darf. Das betrifft vor allem Gazprom.

Das macht dieses Geschäftsmodell schwieriger, weil man darüber nachdenken muss, wie diese Kapazitäten in Deutschland weiter transportiert bzw. weiterverkauft werden.

Nachdem nun aber die anderen 50 Prozent nicht genutzt worden waren, hat die Kommission einer Argumentation der Bundesregierung damals zugestimmt, mehr als 80 Prozent dieser Pipelinekapazität zu nutzen. Das ist zunächst nicht im Einklang mit dem Prinzip der politischen Solidarität im Energiesektor. Die Kommission hätte prüfen müssen, inwieweit dieser Grundsatz, vor allem mit Blick auf die polnische Versorgungssicherheit, verletzt werden könnte.

Was heisst das nun?

Dass diese 80 Prozent nicht ohne weiteres genutzt werden können. Die Kommission muss sich zunächst Gedanken darüber machen, ob es dafür eine Möglichkeit gibt. Das würde aber den Positionen der polnischen Regierung widersprechen. Zudem hat das Urteil Präzedenzwirkung für die EUGAL-Pipeline, welche für Nord Stream 2 gebaut und parallel zu Opal Richtung Tschechien verlaufen wird. Sie ist auch nichts anderes als eine Umgehungspipeline, die zunächst die Ukraine, aber zum Beispiel auch die Slowakei trifft.

Wird es für Nord Stream 2 schwierig?

Es betrifft sozusagen die Weiterleitung des Gases, was über Nord Stream 2 ankommt. Das macht dieses Geschäftsmodell schwieriger, weil man darüber nachdenken muss, wie diese Kapazitäten in Deutschland weiter transportiert bzw. weiterverkauft werden.

Vor drei Jahren erlaubte die EU-Kommission die stärkere Nutzung der Opal-Leitungen durch Russland. Nun diese Entscheidung des EU-Gerichts. Sehen Sie hier einen Wandel in der Haltung gegenüber Russland?

Nein, es ist eher eine Bestätigung der Grundsätze, die verabschiedet worden sind. Die politische Solidarität ist bereits im Vertrag von Lissabon verankert, über die Jahre hinweg im Energiesektor aber aufgewertet worden. Dieser muss zukünftig viel stärker beachtet werden. Das betrifft nicht nur EUGAL-2, sondern auch eine Reihe von anderen Energieprojekten, wo dieser Grundsatz jedes Mal von der Kommission geprüft werden muss. Für die Deutsche Regierung ist es eine grosse Ohrfeige: Wenn das grösste Land in der EU diesem politischen Grundsatz nicht folgt, kann man auch nicht von den kleineren und schwächeren Ländern politische Solidarität erwarten. Damit steht und fällt die Effektivität und die Effizienz einer gemeinsamen europäischen Energie-Sicherheitspolitik.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

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