Nach knapp 200 Tagen im Amt ist Donald Trump am Freitag laut Medienberichten in die Sommerferien abgeflogen. Dabei ist Urlaub etwas, das Trump einst als völlig unnötig bezeichnet hatte. Gegen die Erholungsreisen seines Vorgängers Obama hatte er auf Twitter wiederholt massiv gestänkert.
Aber ein US-Präsident sei natürlich nie wirklich in den Ferien, versichert das Weisse Haus immer wieder. Also lässt sich auch aus dem Golfclub von Bedminster im US-Bundesstaat New Jersey regieren, wo er die nächsten 17 Tage verbringten wird. Langweilig wird es dem Präsidenten jedenfalls sicher nicht, wie eine Übersicht der aussen- und innenpolitischen Herausforderungen zeigt.
Nordkorea: Der Streit um Pjöngjangs Atomprogramm gilt als einer der gefährlichsten Konflikte der Welt. Die Krise eskalierte in den vergangenen Monaten weiter, Nordkorea testete allein im Juli zwei Langstreckenraketen. Trumps Optionen sind begrenzt. Er hat wiederholt erklärt, er werde sich um Nordkorea kümmern. Er drohte dem Regime. Was seine Strategie ist, sagte er nicht. Aussenminister Rex Tillerson schlug in dieser Woche beschwichtigende Töne an und versicherte, die USA hätten kein Interesse, die Regierung in Pjöngjang zu stürzen. Ziel müssten diplomatische Gespräche sein.
China: Nach seinem ersten Gipfel mit dem Präsident Xi Jinping war Trump voll des Lobes, von seinen vielen Anschuldigungen gegen Peking war keine Rede mehr. In der Nordkorea-Frage zeigte er sich überzeugt, dass Peking den Druck auf den Verbündeten erhöhen werde. Nach einigen Wochen aber schlugen seine Äusserungen in Frust um. Er warf Xi vor, zu wenig zu tun. Das «Wall Street Journal» berichtete jüngst, Trump erwäge zu untersuchen, ob China unfaire Handelspraktiken betreibe. Ein Gesetz würde es dem US-Präsidenten möglich machen, einseitig Zölle oder andere Beschränkungen anzuordnen.
Russland: Vom Kongress unter Zugzwang gesetzt, stimmte Trump einer Verschärfung der Sanktionen gegen Moskau zu. Er distanzierte sich aber von der Massnahme, indem er das Parlament schmähte. Die Abgeordneten seien dafür verantwortlich, dass sich das Verhältnis zu Russland auf einem historischen Tiefstand befinde. Das schloss wohlgemerkt seine eigenen Republikaner mit ein. In der Russland-Frage zeigen sich tiefe Risse zwischen Trump und seiner Partei. Die Schuldzuweisungen, die aus dem Kreml kamen, klangen ganz ähnlich wie die von Trump. Nicht der Präsident trägt die Verantwortung für eine Eskalation; es ist der Kongress. Das dürfte jenen in Washington neue Nahrung geben, die eine zu grosse Nähe Trumps zu Putin sehen.
Afghanistan: Die Sicherheitslage im Land am Hindukusch hat sich drastisch verschlechtert. Die radikalislamischen Taliban kontrollieren immer mehr Gebiete. Trumps Regierung aber hat noch immer keine neue Strategie für Amerikas längsten Krieg vorgelegt. Eigentlich wollte Verteidigungsminister James Mattis dies bis Mitte Juli tun; die Entsendung von mehreren tausend zusätzlichen Soldaten stand im Raum. Aber die Frist verstrich, ohne das etwas geschah. Trump soll Bedenken haben. US-Medien berichteten, er sei frustriert über die Vorschläge seiner Sicherheitsberater. Laut dem «Wall Street Journal» wird im Weissen Haus nun sogar die Möglichkeit eines Truppenabzuges diskutiert.
Iran: Das Atomabkommen mit Teheran ist Trump verhasst. Dennoch bescheinigte seine Regierung dem Iran bereits zwei Mal, sich daran zu halten. Zuletzt mehrten sich Berichte, Trump habe seine Berater beauftragt, ihm Beweise dafür zu liefern, dass der Iran das Abkommen verletze. Aussenminister Rex Tillerson räumte am Mittwoch ein, dass es bei dem Thema Differenzen zwischen ihm und dem Präsidenten gebe. Würde Trump Teheran tatsächlich bescheinigen, das Abkommen nicht zu erfüllen, hätte das nach Meinung von Experten wahrscheinlich auch den Ausstieg der USA zur Folge. Die Konsequenzen wären fatal.
Leaks: Am Donnerstag ist ein neues Leak aus dem Weissen Haus publik geworden. Telefonaufzeichnungen von Gesprächen, die Trump mit den Staatschefs aus Mexiko und Australien geführt hat, sind an die Öffentlichkeit gelangt. Gemäss der «Washington Post» soll Trump den mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto dazu aufgefordert haben, nicht mehr öffentlich zu sagen, dass Mexiko die Mauer nicht bezahlen würde. Wenn er das trotzdem tue, «dann will ich euch Leute nicht mehr treffen, denn damit kann ich nicht leben», soll der Präsident gesagt haben. Gegenüber dem australischen Premierminister Malcolm Turnbull sagte Trump im Zusammenhang mit einem Abkommen zwischen Australien und den USA, das sein Vorgänger Barack Obama ausgehandelt hatte: «Das wird mich umbringen.» Obama hatte zugesagt, 1250 Flüchtlinge aus Australien aufzunehmen. «Ich bin die wichtigste Person der Welt, die keine Leute in ihr Land lassen will», so Trump.
Das Weisse Haus: In den neuen Stabschef John Kelly setzt Trump grosse Hoffnungen. Der strenge Mann soll für Ruhe sorgen und erfolgreiches Regieren ermöglichen. Dass der Ex-General das schafft, fürchten freilich auch die Gegner von Trumps Politik. Doch auch nach Kellys Antritt setzten Leaks und interner Lärm dem Weissen Haus zu. Ob Kelly die rivalisierenden Lager befrieden und undichte Stellen stopfen kann? Kern aller Unruhe ist der Präsident selbst. Wie lange Trump und andere sich Kellys Zucht und Ordnung beugen, ist offen.
Die Republikaner: Das Verhältnis wird immer schwieriger. Trumps Unwillen, sich mit Gesetzgebungsdetails zu beschäftigen, stösst vielen Kongressmitgliedern sauer auf. Es gibt eine schleichende Entkopplung zwischen Trump und seiner Partei sowie dem Weissen Haus und dem Kongress. Trump konzentriert die Energien auf sich, seine Kampagne, sein Team – und schiesst wiederholt gegen den – von Republikanern beherrschten – Kongress.
Der FBI-Sonderermittler: In Sachen Russland-Affäre sammelt Robert Mueller Material, stellt hoch spezialisierte Anwälte ein und bereitet Trump damit grosse Sorgen. Nun soll er gar eine sogenannte Grand Jury eingesetzt haben. Da könnte sich etwas zusammenbrauen, das jederzeit explodieren kann. Der Senat bereitet ein Gesetz vor, das ein Feuern Muellers verhindern soll. Interessant: Es erhält Unterstützung aus beiden Parteien.
Schlechte Umfragen: Trumps engste Anhänger geben sich von allen Querelen unbeeindruckt. Für sie zählen die guten Zahlen auf dem Arbeitsmarkt und an der Börse, auch wenn Trump dafür wohl wenig kann. Insgesamt sacken seine Werte aber Stück für Stück ab, laut dem Blog FiveThirtyEight von im Schnitt 44,8 Prozent Zustimmung im Januar auf 37,4 Anfang August. Mit schlechteren Solowerten fährt Trump nur bei Gallup (36 Prozent) und der Uni Quinnipiac (33 Prozent) in die Ferien.
Obamacare: Die historische Abstimmungsniederlage im Senat ist noch nicht verdaut. Dass der Kongress das siebenjährige Mantra der Republikaner nicht umsetzen konnte, Barack Obamas Krankenversicherung abzuschaffen und zu ersetzen, wiegt schwer. Kongressmitglieder beginnen, am Präsidenten vorbei überparteilich an einer Lösung zu arbeiten. Trump kehrt derweil zurück zum Drohen – der Senat deutet an, dass das für dieses Thema vielleicht gar nicht so gesund ist.
Haushalt und Steuerreform: Im September wartet das wohl grösste Problem auf Trump. Wenn es dem Weissen Haus und dem Kongress nicht gelingt, die staatliche Schuldenobergrenze anzuheben, geht Washington in den so genannten Shutdown, dann geht nichts mehr. Längst laufen intensive Verhandlungen, die viel Zeit und Energie kosten. Wie Trump da bis Oktober seine mit «Trara» angekündigte historische Steuerreform durch den Kongress bekommen will, ist vielen ein Rätsel. Erst recht angesichts der knappen Mehrheiten im Senat. US-Medien orakeln bereits von einem «langen Herbst des Missvergnügens».