Norwegen hat gewählt: Die linke Arbeiterpartei von Ministerpräsident Jonas Gahr Støre bleibt an der Macht, doch die rechtspopulistische Fortschrittspartei wird zweitstärkste Kraft. Das politische Ringen um die Zukunft des Landes beginnt damit erst. Nordeuropa-Korrespondent Bruno Kaufmann ordnet die wichtigsten Fragen ein.
Was hat der linken Arbeiterpartei zum Sieg verholfen?
Die Arbeiterpartei hat ein bemerkenswertes Comeback geschafft. Vor einem Jahr lag sie in Umfragen bei nur 14 Prozent, nun hat sie ihr Ergebnis verdoppelt. Ein entscheidender Grund war das Auseinanderbrechen der Koalition mit dem bäuerlichen Zentrum im Frühjahr.
Seither regieren die Sozialdemokraten allein und haben mit Jens Stoltenberg, dem angesehenen ehemaligen Nato-Generalsekretär, einen populären Minister zurückgeholt. Dies brachte Zuversicht und stärkte das Vertrauen in die Aussen- und Sicherheitspolitik, was angesichts der internationalen Lage für die Wählerinnen und Wähler wichtig war.
Womit punktet die rechtspopulistische Fortschrittspartei?
Mit klaren Botschaften und einer Haltung gegen Kompromisse. Im Gegensatz zu anderen bürgerlichen Parteien und den Sozialdemokraten lehnt die Fortschrittspartei jede Annäherung an die EU strikt ab. Sie fordert Steuersenkungen, auch für die Reichsten, und stellt sich gegen einen Ausstieg aus der Öl- und Gasindustrie, die Norwegen reich gemacht hat. Dieser Erfolg hat jedoch eine Kehrseite: Er schwächt das liberale Zentrum und führte dazu, dass die Konservativen ihr schlechtestes Resultat der Geschichte einfuhren, wodurch das bürgerliche Lager die Wahl verlor.
Wie dürfte die künftige Regierung aussehen?
Auf den ersten Blick sieht es nach einem Status quo aus, also einer alleinigen Weiterregierung der gestärkten Sozialdemokraten. Allerdings benötigen sie für Mehrheiten die Unterstützung aus dem rot-grünen Lager. Dieses ist heute bunter und vielfältiger als noch vor vier Jahren, weshalb bereits von einer «Tutti-Frutti-Koalition» die Rede ist.
Vor welchen Aufgaben steht Norwegen nun?
Partnerparteien fordern hier einen radikalen Rückzug aus Investitionen in israelische Firmen. Zweitens, das Energiedilemma: Obwohl das Land mit erneuerbaren Energien versorgt ist, investiert es 27-mal mehr in fossile als in nicht-fossile Quellen. Drittens, die Aussenpolitik: Das Verhältnis zum Nachbarn Russland ist eisiger denn je. Und viertens, die Europapolitik: Der EWR-Vertrag, der Norwegen eine EU-Mitgliedschaft ohne Stimmrecht gewährt, steht vor einer Belastungsprobe, da die Unterstützungsparteien hier von einem EU-Beitrittsgesuch bis zum kompletten Ausstieg alles fordern. Für Ministerpräsident Støre wird die Aufgabe damit noch schwieriger als bisher.