Die USA und Russland sprechen davon, wieder Tests mit Atomwaffen machen zu wollen. Fast alles ist dabei völlig unklar. Etwas Licht ins Dunkel bringt Liviu Horovitz. Er forscht zu nuklearer Bedrohung und Abschreckung.
SRF News: Warum macht man überhaupt Atomtests?
Liviu Horovitz: Wenn ein Staat seine ersten Nuklearwaffen gebaut hat, will er wissen, ob sie tatsächlich funktionieren. Je weiter man dann voranschreitet, umso komplexer werden diese Waffen – und auch dann will man sicherstellen, dass sie funktionieren.
Die USA und Russland haben sich vor Jahrzehnten dazu verpflichtet, nur noch in Simulationstests sicherzustellen, dass die Waffen wie geplant funktionieren.
Heute sind die Atomwaffen der USA und Russlands in den meisten Fällen mehrere Jahrzehnte alt – und man will wissen, ob sie noch immer in einem guten Zustand sind. Grundsätzlich braucht es dafür Atomtests. Doch schon vor Jahrzehnten haben sich die USA und Russland dazu verpflichtet, keine Atombomben mehr explodieren zu lassen und stattdessen in Simulationstests sicherzustellen, dass die Waffen wie geplant funktionieren.
Sind die Ankündigungen Trumps und Putins also bloss ein Muskelspiel – und gar keine technische Notwendigkeit?
Es gibt da wohl drei Dimensionen. Zunächst wissen wir gar nicht, was Donald Trump genau meint: Er sagt etwas, dann korrigiert er seine Aussage, dann wiederholt er sich. Sein Minister, der für Nuklearwaffen zuständig ist, sagt, dass keine Tests notwendig sind. Die Militärs sagen, dass keine Tests notwendig sind. Wir wissen also nicht, was Sache ist.
Putin versucht, Druck auf die Nato auszuüben – und Trump könnte jetzt etwas gegenüber Moskau signalisieren.
Zweitens: Mit Atomwaffen wird auch Säbelrasseln betrieben – von Putin schon seit Beginn der Vollinvasion in die Ukraine 2022. Er versucht so, Druck auf die Nato auszuüben. Und Trump könnte mit seiner Ankündigung jetzt etwas gegenüber Moskau signalisieren. Schliesslich muss man sich drittens fragen, was es bedeuten würde, sollten tatsächlich wieder Atomtests mit nuklearen Explosionen durchgeführt werden.
Stehen wir am Anfang eines neuen nuklearen Wettrüstens?
Schon seit einigen Jahren sind die Nuklearstaaten daran, ihre Arsenale zu modernisieren und zu erweitern. Das ist also nicht neu. Und daran wird die Aussage Trumps kaum etwas ändern.
Testexplosionen würden China oder Nordkorea mehr bringen als den USA.
Sollten die USA allerdings tatsächlich Nuklearexplosionen zu Testzwecken durchführen, würden das wohl auch andere Staaten tun. Das wiederum würde Ländern wie China oder Nordkorea mehr bringen als den USA – die beiden Staaten haben bislang viel weniger Explosionstests durchgeführt als die USA oder Russland.
Vieles ist also unklar, was das nukleare Rüsten angeht. Was bedeutet das für das globale Sicherheitsgefüge, das seit Jahrzehnten galt?
Dieses Sicherheitsgefüge ist ständig unter Druck – und jetzt nicht nur, weil Trump irgendetwas sagt. Der Druck kommt von Mächten, die mit dem bisherigen System nicht zufrieden sind und mit diplomatischen und militärischen Mitteln versuchen, das System so zu verändern, dass es ihnen besser passt. Da wird auch mit Nuklearwaffen versucht, Druck auf die USA und ihre Verbündeten auszuüben. Wir bewegen uns also immer mehr von den Regeln weg, von denen wir glaubten, dass sie gelten. Im Bereich von Atomtests hatte man geglaubt, dass diese überwunden wären. Und wenn nun selbst Grossmächte an diesem Fundament rütteln, könnte das Nukleartest-Verbot tatsächlich Schritt für Schritt verschwinden.
Das Gespräch führte Amir Ali.