Besonders lang und weit soll sie fliegen, die neueste Rakete des russischen Militärs namens Burewestnik, zu Deutsch Sturmvogel. In einem Video sagt der russische Präsident Wladimir Putin, die Rakete habe erfolgreich einen Testflug absolviert. Sie hat offenbar einen nuklearen Antrieb und soll atomare Sprengköpfe tragen können. Militärexperte Hoffman erklärt den Mechanismus – und die Symbolik.
SRF News: Sind die russischen Angaben zu Burewestnik glaubhaft?
Fabian Hoffmann: Ja. Russland arbeitet an diesem System seit gut sieben bis zehn Jahren. Irgendwann haben die russischen Forscher und Ingenieure Erfolg und bringen ein minimal einsatzbereites System raus.
Putin sagt, es sei ein einzigartiges System, das sonst weltweit niemand habe. Wie sehen Sie das?
Das stimmt. Die Amerikaner haben in den 60er-Jahren an einem ähnlichen System gearbeitet. Während des Kalten Kriegs wurden diese Forschungsarbeiten dann allerdings eingestellt.
Burewestnik hat eine grosse Treibstoffeffizienz, weil er einen nuklearen Reaktor benutzt.
Wie unterscheidet sich dieses Raketensystem von den bisherigen russischen Raketensystemen?
Es ist schon sehr anders. Es handelt sich um einen nuklear angetriebenen Marschflugkörper. Er hat eine grosse Treibstoffeffizienz, weil er einen nuklearen Reaktor benutzt. Deswegen kommt es zu diesen hohen Reichweiten von über 14'000 Kilometern. Das gibt es so auf der Welt noch nicht. Es ist auch anders als andere nukleare Waffensysteme im russischen Arsenal wie zum Beispiel Interkontinentalraketen. Dies sind Raketensysteme, die aus der Atmosphäre herausfliegen, dann auf der anderen Seite der Erdhalbkugel wieder in die Atmosphäre eindringen und dort ihr Ziel treffen. Der Burewestnik-Marschflugkörper ist ein Flugkörpersystem, das in Bodennähe fliegt. Er fliegt deutlich langsamer, aber man kann ihn besser manövrieren.
Was bringt das Russland konkret im Ukrainekrieg?
Im Ukrainekrieg bringt das nichts. Dieses System ist dazu da, die nukleare Abschreckung Russlands zu verstärken. Das hört sich erst mal furchtbar und gruselig an – und genau um diesen Angstfaktor geht es.
Stimmen Sie den Fachkreisen zu, die sagen, diese neueste Rakete sei technologisch zwar visionär, aber es sei fraglich, ob die Rakete tatsächlich eingesetzt werden könne?
Letztlich ist schon fraglich, wo auf operativer Ebene die Vorteile liegen.
Jeder Cent, der in dieses Waffensystem fliesst, ist Geld, das an anderer Stelle nicht fliesst.
Doch man kann auch sagen, dass dieses Waffensystem auf eine bestimmte Art und Weise gut ist für den Westen, für Europa und auch für die Ukraine. Denn jeder Cent, der in dieses Waffensystem fliesst, für Forschung und Entwicklung und später für die Produktion, ist Geld, das an anderer Stelle nicht fliesst.
Ist es eine Antwort auf die neuen Sanktionen der USA und der EU gegen Russland?
Nein. Man darf in das Timing nicht zu viel hineininterpretieren. Russland arbeitet seit vielen Jahren an diesem Waffensystem. Nun ist es eben zu diesem Test gekommen. Das hat weniger mit dem zu tun, was gerade auf der diplomatischen Weltbühne abgeht.
Wie sehr wird diese Waffe die Taktiken der Nato und der EU gegenüber Russland in den nächsten Jahren beeinflussen?
Ich glaube gar nicht. Wir haben es bereits mit anderen russischen Atomwaffen-Systemen zu tun, die teilweise auch deutlich fähiger sind. Die Nato sollte nicht überreagieren, die europäischen Staaten auch nicht. Man wird sich diese Systeme gut anschauen und eventuell Pläne machen, wie man damit umgehen kann für den Fall der Fälle. Aber im Grossen und Ganzen ändert das die militärischen Dynamiken zwischen der Nato und Russland nicht.
Das Gespräch führte Yves Kilchör.