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Öl-Exporte auf Vorkriegsniveau Trotz Sanktionen: Russland füllt weiter seine Kriegskasse

Russland exportiert so viel Erdöl wie seit Jahren nicht mehr. Wie kann das sein?

Es ist ein Satz, der für Stirnrunzeln sorgt: Die russischen Ölexporte sind nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) auf den höchsten Stand seit drei Jahren gestiegen.

Trotz Sanktionen des Westens, trotz allgemeiner Bestrebungen, unabhängiger von den fossilen Rohstoffen Russlands zu werden.

Welt ist nicht geeint

Die russischen Erdölexporte sind also wieder auf Vorkriegsniveau. Stefanie Walter ist Politikprofessorin an der Universität Zürich. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt unter anderem in der internationalen Wirtschaftspolitik. Sie sagt: «Die gestiegenen Ölexporte Russlands haben viel damit zu tun, dass die Sanktionen gegen Russland nur von einem Teil der Länder getragen wird.»

Die gestiegenen Ölexporte Russlands haben viel damit zu tun, dass die Sanktionen gegen Russland nur von einem Teil der Länder getragen wird.
Autor: Stefanie Walter Politikprofessorin Universität Zürich

Tatsächlich bleibt über ein Jahr nach Beginn der russischen Invasion für den Westen eine bittere Erkenntnis: Russland ist international nicht völlig isoliert. Es gibt Staaten, welche die Sanktionen nicht mittragen und so dem Kreml ermöglichen, Einnahmen für seine Kriegskasse zu generieren.

Walter sagt: «Grosse Volkswirtschaften wie China und Indien haben sich den Sanktionen nicht angeschlossen und importieren weiterhin russisches Öl.» Auch Daten des belgischen Thinktanks Bruegel belegen, dass die Einfuhren von Staaten, welche weder der G7 noch der EU angehören, stark gestiegen sind. Und gerade die indischen Importe sind gemäss IEA in den vergangenen Monaten regelrecht in die Höhe geschossen.

Jeronim Perovic ist Direktor des Zentrums für Osteuropa-Studien der Universität Zürich. Auch er beobachtet diese Tendenzen. Er fügt aber noch einen weiteren Aspekt hinzu: «Russland exportiert den Grossteil seiner Erdölexporte per Schiff über den Seeweg.»

Russland konnte die Erdölexporte an die Türkei, China und Indien massiv steigern.
Autor: Jeronim Perovic Direktor Zentrum für Osteuropa-Studien der Universität Zürich

Das bedeute, dass der Kreml flexibel auf Marktveränderungen reagieren kann. «So konnte Russland die Erdölexporte an die Türkei, China und Indien massiv steigern», fährt Perovic fort.

Ein russischer Öltanker in den Gewässern der südrussischen Stadt Noworossijsk.
Legende: Ein russischer Öltanker in den Gewässern vor der südrussischen Stadt Noworossijsk. AP Photo, File

Und es ist keine kühne Behauptung: Der Ölmarkt wurde in den vergangenen Monaten ordentlich durcheinandergewirbelt. Gutes Beispiel hierzu ist das Embargo der Europäischen Union und dessen Folgen. Seit dem 5. Dezember des vergangenen Jahres sind der Erwerb, die Einfuhr oder die Weiterleitung von Rohöl über den Seeweg in die EU verboten. Nur für die Einfuhr von über Pipelines geliefertem Rohöl sind grundsätzlich Ausnahmeregelungen möglich.

Erdöl findet seinen Abnehmer

Unter dem Strich heisst es beim Rat der Europäischen Union: «Da der Grossteil des russischen Öls, das in die EU geliefert wird, auf dem Seeweg transportiert wird, wird dieses Embargo bis Ende 2022 fast 90 Prozent der russischen Öleinfuhren nach Europa betreffen. Dadurch werden sich die Handelsgewinne Russlands erheblich verringern.»

Bei den grossen Mengen, die Russland derzeit exportiert, sind die Einnahmen dennoch weiterhin substanziell.
Autor: Jeronim Perovic Direktor Zentrum für Osteuropa-Studien der Universität Zürich

Solche Sanktionen haben nicht nur die Wirkung, dass für Russland der Absatzmarkt kleiner wird, sondern auch, dass der Kreml den Preis senken muss. Perovic sagt: «Aufgrund westlicher Sanktionen muss Russland sein Erdöl unter dem Weltmarktpreis verkaufen.»

Verscherbelt Russland also gerade sein Rohöl? Perovic verneint: «Bei den grossen Mengen, die Russland derzeit exportiert, sind die Einnahmen dennoch weiterhin substanziell.» Der Kreml habe auch deshalb immer noch die Mittel, um den Krieg zu finanzieren. Mittel, die ihm so schnell nicht ausgehen dürften. Denn auch wenn die russische Wirtschaft stark unter Druck steht, bleibt letztlich die Erkenntnis, dass das russische Erdöl trotz westlicher Sanktionen seine Abnehmer findet.

Tagesschau, 17.04.2023, 12:45 Uhr

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