- Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz ist wegen Falschaussage zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt worden.
- Dem 37-Jährigen wurden Falschaussagen vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss vorgeworfen.
- Das Landgericht Wien sah es in seinem Urteil als erwiesen an, dass Kurz bei der Bestellung des Aufsichtsrats der Staatsholding Öbag einen grösseren Einfluss ausgeübt hatte, als er vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss eingeräumt hatte.
Kurz hat seine erstinstanzliche Verurteilung als ungerecht bezeichnet. «Es hat mich sehr überrascht. Ich finde es auch nicht gerecht», sagte er am Freitagabend im Wiener Landgericht. «Ich bin sehr optimistisch, dass wir in einer zweiten Instanz recht bekommen», sagte der ehemalige konservative Regierungschef. Seine Verteidiger hatten zuvor Berufung gegen das Urteil angekündigt.
Kurz war angeklagt, seine Rolle bei der Berufung eines Vertrauten an die Spitze der Staatsholding Öbag vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss heruntergespielt zu haben. Er hatte bei seiner Aussage vor dem parlamentarischen Gremium 2020 den Eindruck erweckt, er sei über die Top-Personalie nur informiert gewesen, aber habe sich selbst nicht aktiv eingemischt.
Im Fall der Bestellung seines damaligen Kurz-Vertrauten Thomas Schmid zum Chef der Öbag sprach der Richter den ehemaligen Regierungschef vom Vorwurf der Falschaussage frei. Später aufgetauchte Chats erweckten aus Sicht der Staatsanwaltschaft einen anderen Eindruck.
Vom jungen Polit-Talent zum gefallenen Kanzler
Der Prozess war in Österreich mit Spannung verfolgt worden. Die Alpenrepublik steht vor einem Superwahljahr mit Kommunal- und Landtagswahlen, der Europawahl und der Nationalratswahl, die voraussichtlich Ende September stattfindet. Die Verurteilung des als Kanzler und ÖVP-Chef sehr populären Kurz dürfte Wahlkampfmunition für die politischen Gegner liefern. «Wenn ein Ex-Kanzler verurteilt ist, dann wird das für die ÖVP schon zum Mühlstein in Sachen Korruption und Vetternwirtschaft», sagt Politikberater Thomas Hofer.
Kunz betonte stets seine Unschuld
Der 37-Jährige, der nach seinem Rücktritt und seinem Abschied aus der Politik Ende 2021 nun als Unternehmer tätig ist, hat stets seine Unschuld betont. Er stand von 2017 bis 2019 an der Spitze einer Koalition der ÖVP mit der rechten FPÖ. Von 2020 bis 2021 leitete er ein Bündnis von ÖVP und Grünen.
Im Zusammenhang mit der 2019 aufgeflogenen Ibiza-Affäre rund um Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache setzte das Parlament einen Untersuchungsausschuss zur «mutmasslichen Käuflichkeit der schwarz-blauen Regierung» ein. Das Gremium sollte dem Verdacht der Korruption und der Vetternwirtschaft zu Zeiten der ÖVP-FPÖ-Koalition nachspüren.
Die sogenannte Inseraten-Affäre
Abgesehen vom aktuellen Prozess droht dem Ex-Kanzler noch ein zweites Verfahren. In der sogenannten Inseraten-Affäre sollen der damalige Regierungschef und sein Team mit Steuergeld gefälschte Umfragen in Auftrag gegeben haben. Ausserdem sollen sie sich mit Inseraten in diversen Medien eine wohlmeinende Berichterstattung erhofft haben. Die Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit, Korruption und Untreue laufen gegen zehn Verdächtige.