Was, wenn jemand nicht glauben will, dass er oder sie gerade über den Tisch gezogen wird? Und sich auch von Angehörigen nicht davon abbringen lässt, Geld an die vermeintliche Online-Liebschaft zu überweisen oder in eine betrügerische Finanzplattform zu investieren? In Singapur lautet eine mögliche Antwort «Protection from Scams Bill» – ein Gesetzesentwurf, der die Menschen vor Betrug schützen soll.
Singapur sei von Online-Betrug besonders stark betroffen, sagt Jura-Professor Eugene Tan von der Singapore Management University.
«Wie in vielen Teilen der Welt hat auch in Singapur der Online-Betrug erheblich zugenommen. Das liegt zum Teil daran, dass wir zu den am stärksten digital vernetzten Ländern gehören.»
Singapur ist von Online-Betrug besonders stark betroffen.
Laut dem Singapurer Innenministerium belief sich die Schadenssumme im vergangenen Jahr auf umgerechnet rund 430 Millionen Franken.
«Die Beträge, die durch Online-Betrug verlorengehen, sind beträchtlich», sagt Eugene Tan. Die Dunkelziffer sei wahrscheinlich noch höher. Viele Fälle kämen wohl nie zur Anzeige, weil es den Opfern peinlich sei.
Temposchwellen gegen Online-Betrug
Laut den Behörden haben die Opfer in neun von zehn Fällen das Geld freiwillig an die Betrüger überwiesen. Aufklärungskampagnen allein scheinen nicht auszureichen.
Eugene Tan sieht den Gesetzesentwurf deshalb als eine weitere wichtige Massnahme in der Betrugsbekämpfung.
«Ich sehe es als eine Art Temposchwelle an. Wenn man frontal in einen Betrug hineinfährt, soll einen dieses Gesetz verlangsamen, damit man Zeit zum Nachdenken hat.» Das potenzielle Opfer müsse somit eine Pause einlegen, bevor es Geld überweisen könne. Die Betrüger würden sich dann eher zurückziehen.
Kontosperrung bis zu einem halben Jahr
Wenn eine Bank oder auch Familienmitglieder auf ein potenzielles Betrugsopfer aufmerksam werden, können sie dies bei der Polizei melden. Liegen genügend Beweise für einen Betrug vor, kann die Polizei die Konten des Opfers für 30 Tage sperren – und diese Sperrung bis auf maximal sechs Monate ausweiten.
Ausgaben, die für den Lebensunterhalt benötigt werden, müssen von der Polizei separat bewilligt werden. Das kommt einer finanziellen Entmündigung gleich.
Wenn man frontal in einen Betrug hineinfährt, soll einen dieses Gesetz verlangsamen, damit man Zeit zum Nachdenken hat.
Er könne nachvollziehen, wenn jemand dies als paternalistisch ansehe, sagt Eugene Tan. Singapur werde manchmal auch als «Nanny-Staat» bezeichnet. Er glaube aber, dass die Massnahmen genau kalibriert seien.
So ist die präventive Sperrung von privaten Konten als letztes Mittel gedacht.
Auch das Umfeld des Opfers ist betroffen
«In Singapur vertritt man die Ansicht, dass der Staat eine Rolle spielt, wenn es darum geht, eine gesellschaftliche Gefahr zu bekämpfen», so Tan weiter. Neben den direkten Opfern habe der Betrug von hohen Summen auch Auswirkungen auf deren Familien.
Noch ist das «Gesetz zum Schutz vor Betrug» nicht beschlossen. Im Januar soll es im Parlament zu einer zweiten Lesung kommen. Da die Regierungspartei die Mehrheit der Sitze im Parlament besitzt, dürfte es verabschiedet werden.