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Oppositionspartei im Hoch Morgenröte für die Labour-Partei

Strahlende Gesichter und gelöste Atmosphäre im Liverpool Exhibition Centre, wo sich die Delegierten der oppositionellen Labour-Partei seit Sonntag zum Jahreskongress treffen.

«Ich habe schon mehrere Parteikongresse mitgemacht», erzählt Greg Williams aus dem südenglischen Dorset. «In früheren Jahren war die Stimmung meist bedrückt. Plötzlich ist alles anders», beginnt der Mittdreissiger zu strahlen. Er arbeitet im Energiesektor und freut sich über den unerwarteten Stimmungsumschwung.

Ein überraschendes Geschenk von Liz Truss

Wie weggeblasen scheinen die Flügelkämpfe der letzten Jahre, ausgelöst durch die radikal-linke Politik des früheren Labour-Chefs Jeremy Corbyn; vergessen die Wahlschlappe von 2019: Labour wittert Morgenluft, seit dem Machtwechsel bei den Konservativen.

Liz Truss.
Legende: Die neue Tory-Premierministerin: Liz Truss. Keystone/AP Photo/Markus Schreiber

Die neue Tory-Premierministerin Liz Truss und ihr Finanzminister Kwasi Kwarteng führen die konservative Partei auf einen ultraliberalen Steuersenkungs- und Deregulierungspfad. Sie sind überzeugt, dass erlassene Steuern zu neuen Investitionen, neuem Wachstum und neuem Wohlstand führen.

Millionen Menschen haben nichts davon

Das am vergangenen Freitag im Unterhaus vorgestellte «Mini-Budget» ist das grösste Steuersenkungsprogramm seit Jahrzehnten. Am stärksten profitieren davon die paar Hunderttausend Grossverdienenden mit mehr als 155'000 Pfund Jahreseinkommen (rund 166'000 Schweizer Franken). Sie sparen durch die Senkung des Spitzensteuersatzes von 45 auf 40 Prozent Tausende von Pfund im Jahr, wie der von der «Times» aufgeschaltete Steuerrechner zeigt.

Die Konservativen stehen nicht auf der Seite der arbeitenden Menschen in Grossbritannien.
Autor: Angela Rayner Stellvertretende Labour-Chefin

Millionen Menschen mit mittleren oder kleinen Löhnen haben wenig bis nichts davon, weil die Senkung des Einstiegssteuersatzes um einen Prozentpunkt sie nur um ein paar Pfund entlastet.

Mit ihrem Steuersenkungsprogramm bietet Liz Truss der oppositionellen Labour-Partei viel Angriffsfläche: Sie mache eine Politik für die Superreichen und kümmere sich keinen Deut um die Sorgen der Schlechterverdienenden oder der Hilfsbedürftigen, tönt es von Labour.

Liz Truss hat sich entschieden, für die Interessen der Ölkonzerne und der Banker einzutreten, für diejenigen, die von dieser Krise profitieren und nicht unter ihr leiden.
Autor: Angela Rayner Stellvertretende Labour-Chefin

«Die Konservativen stehen nicht auf der Seite der arbeitenden Menschen in Grossbritannien», geht die stellvertretende Labour-Chefin, Angela Rayner, in ihrer Parteitagsrede in Liverpool zum Angriff über: «Liz Truss hat sich entschieden, für die Interessen der Ölkonzerne und der Banker einzutreten, für diejenigen, die von dieser Krise profitieren und nicht unter ihr leiden.»

Rosige Umfragewerte für Labour

Eine wachsende Zahl von Britinnen und Briten sieht das auch so. In Umfragen fallen die Konservativen seit kurzen hinter Labour zurück, wenn es um die Wirtschaftskompetenz geht.

Labour wird inzwischen eher zugetraut, das Land für die Zukunft fit zu machen – als den Konservativen. Eine Mitte September bei rund 6000 Britinnen und Briten durchgeführte Umfrage ergab, dass Labour Neuwahlen mit zwölf Prozentpunkten Vorsprung auf die Konservativen gewinnen würde, wenn heute gewählt würde: Labour käme auf 45 Prozent der Stimmen, die Konservativen noch auf 33 Prozent.

Rosige Aussichten also für Labour: Die neue konservative Premierministerin Liz Truss ist für die Opposition ein Geschenk, wie aus Reden und Gesprächen am Parteikongress herauszuhören ist. Viele Labour-Delegierte können ihr Glück kaum fassen.

SRF 4 News, 23.9.2022, 15:30 Uhr

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