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Orthodoxer Kirchenstreit Russlands religiöser Machtpoker in Afrika

Die Russen jagen der griechisch-orthodoxen Kirche Priester ab. Es geht um Einfluss, Geld und den Ukraine-Konflikt.

«Die Abtrünnigen haben das nur wegen des Geldes gemacht», sagt Bischof Panaretos. Der kenianische Kirchenmann ist empört: «Schon Judas hat für einige Batzen Jesus verraten.»

Die Abtrünnigen, das sind jene Priester der griechisch-orthodoxen Kirche, welche zur russisch-orthodoxen Kirche gewechselt haben. Rund ein Fünftel aller Geistlichen von Bischof Panaretos’ Kirche ist übergelaufen.

Über 200 neue russische Kirchgemeinden

Die russisch-orthodoxe Kirche hat in Kenia rund hundert Priester abgeworben. Ganze Kirchgemeinden sind so übergetreten – ein harter Schlag für die Griechen.

Bischof Paneretos von Nyeri trägt einen schwarzen Umhang.
Legende: Bischof Panaretos von Nyeri ist überzeugt: Die Russen nutzten die Not der Afrikaner aus. srf

Kenia ist nicht das einzige Land Afrikas, in welchem Russlands Kirche expandiert. «In den letzten anderthalb Jahren haben wir mehr als 200 Kirchgemeinden in 25 afrikanischen Ländern eröffnet», sagt der russische Patriarch Kyrill I. am Russland-Afrika-Gipfel diesen Sommer. Die russische Kirche spricht von Zehn- bis Hunderttausenden neuen Gläubigen in Afrika.

Wettern gegen den Westen

Religion wird als Machtinstrument genutzt. Der russische Patriarch ist ein enger Vertrauter Wladimir Putins. Bei seiner Rede vor afrikanischen Staatsführern betont Kyrill zudem, Afrika und Russland würden dieselben konservativen Werte teilen – etwa bei der Verurteilung von Homosexualität.

Und der Kirchenführer wettert gegen den Westen: «Wir Russen haben Afrika nie als Objekt für Profit und Kolonisierung betrachtet.» Russland fühle sich Afrikas Staaten nicht überlegen.

Wurzeln im Ukraine-Konflikt

Doch natürlich geht es Russland um Macht, Einfluss und Geopolitik. Der Kirchenstreit wurzelt im Ukraine-Konflikt. Die ukrainisch-orthodoxe Kirche hat sich von der russischen abgelöst. Die griechisch-orthodoxe Kirche anerkennt die Unabhängigkeit der Ukrainer.

Grosse Freude nach der Einsetzung des neuen Bischofs (links). Die griechisch-orthodoxe Kirche von Kenia feiert.
Legende: Grosse Freude nach der Einsetzung des neuen Bischofs (links). Die griechisch-orthodoxe Kirche von Kenia feiert. srf

Nun bauen die Russen ihre eigene Kirche auf in Afrika. Ende 2021 hat Moskau beschlossen, in Afrika zwei Diözesen zu errichten.

Überläufer erhalten Geld

Die Abwerbung von Pfarrern und Kirchgemeinden wird vor allem mit finanziellen Mitteln vorangetrieben. In Kenia etwa erzählt ein Überläufer, die Russen hätten ihm rund 800 Franken im Monat versprochen – fünfmal mehr als die Griechen bezahlten. Doch das versprochene Geld sei schliesslich nicht geflossen. Ein anderer Pfarrer sagt, er erhalte nun eine höhere Abgeltung.

Die Aussagen von Geistlichen gleichen sich, sind aber schwer verifizierbar. Anfragen von SRF bei der Führung der russisch-orthodoxen Kirche in Kenia sowie in Russland blieben unbeantwortet.

Einfluss mit Kirche und Söldnern

Bei der Bischofsweihe in Kenia erzählt der griechische Patriarch Theodoros II. von Alexandrien, er sei sehr verbittert über die russische Expansion: «Die russische Kirche tut alles, um ihre Dominanz in der Welt auszubauen. Und mit ein paar Hundert Dollar kann man jeden kaufen.»

Der griechische Patriarch Theodoros II. von Alexandrien (rechts) ist besorgt über die Expansion der russischen Kirche.
Legende: Der griechische Patriarch Theodoros II. von Alexandrien (rechts) ist besorgt über die Expansion der russischen Kirche. srf

Der Vorwurf: Nirgendwo sei es so günstig wie in Afrika, einen Priester zu kaufen. Darum ziele Russland bewusst nach Afrika. Bischof Panaretos ergänzt: «Die Russen nutzen die Notlage der armen Afrikaner zu ihrem eigenen Vorteil.»

Es ist eine Parallele zur Präsenz russischer Wagner-Söldner in afrikanischen Ländern. Auch da gelingt es Russland mit verhältnismässig wenig Aufwand, ganze Staaten zu beeinflussen und sie in internationalen Organisationen auf seine Seite zu bringen. Die Weltpolitik ist bis in die Dörfer und Kirchen Afrikas zu spüren.

Samuel Burri

Afrika-Korrespondent

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Samuel Burri berichtet seit 2017 für SRF über das Geschehen in Afrika. Er lebt in Nairobi, der Hauptstadt Kenias. Der studierte Historiker war vor seinem Engagement bei SRF als freier Journalist in Ghana und Westafrika tätig.

10vor10, 05.01.2024, 21:50 Uhr

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