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Ist Fliegen mit Boeing noch sicher?
Aus News Plus vom 08.04.2024. Bild: Universal Images Group via Getty Image
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Pannenserie beim Flugzeugbauer Triebwerkteil abgefallen: Ist Fliegen mit Boeing noch sicher?

Die Pannenserie bei Boeing geht weiter. Eine Expertin sagt, ob man beim Buchen hinschauen sollte, mit welchem Hersteller man fliegt.

Rom, Gran Canaria, Phuket: An den Schweizer Flughafen herrscht derzeit Hochbetrieb, denn in den meisten Kantonen sind Frühlingsferien. Beim Boarding dürften manche Sonnenhungrige derzeit aber ganz genau hinschauen, was für eine Maschine auf dem Rollfeld wartet: Denn schon wieder schreibt der amerikanische Flugzeugbauer Boeing Negativschlagzeilen.

Boeing 747
Legende: Vertrauen ist die wichtigste Währung im Fluggeschäft. Bei Boeing wird es derzeit arg strapaziert. Universal Images Group via Getty Images

Am Sonntag hat eine Boeing 737-800 in Diensten der amerikanischen Southwest Airline während des Starts eine Abdeckung eines ihrer Triebwerke verloren. Auf Videos, die in den sozialen Netzwerken verbreitet wurden, war von einem Flugzeugfenster aus zu sehen, wie sich die blaue Verkleidung von einem der Triebwerke langsam ablöste. Die Maschine war auf dem Weg von Denver nach Houston – und kehrte aus Sicherheitsgründen wieder zu ihrem Abflugort zurück.

Was ist los bei Boeing – und muss man sich Sorgen machen, wenn man in eines der Flugzeuge steigt? Antworten darauf kann die Aviatikexpertin Laura Frommberg liefern. 

Fliegen ist so sicher wie nie

Frommberg ist Chefredaktorin des Schweizer Online-Magazins Aerotelegraf – und steigt weiterhin mit einem grundsätzlich guten Gefühl in eine Boeing ein. «Denn die Airlines, mit denen man bei uns fliegt, tun alles, um die grösstmögliche Sicherheit zu gewährleisten.» Dies habe für alle Fluggesellschaften oberste Priorität. «Und ich vertraue darauf, dass das bei allen Flugzeugtypen der Fall ist.»

Boeing 777 der Swiss am Flughafen Zürich (2017)
Legende: Den Markt im weltweiten Flugverkehr teilen sich weitgehend Boeing und der europäische Hersteller Airbus untereinander auf. Auch die Swiss-Flotte umfasst Flugzeugtypen der beiden Hersteller – auf der Langstrecke etwa auch die Boeing 777. Keystone/Gaetan Bally

So weit, so beruhigend. Und die Vielfliegerin, die früher selbst Flugangst hatte, verweist auch auf die Statistik: Demnach war Fliegen noch nie so sicher wie heute. Eine Studie der Versicherungsgesellschaft Allianz gibt die Wahrscheinlichkeit, bei einem Flugzeugunglück zu sterben, mit 1:188'000 an. Zum Vergleich: Mit dem Auto liegt sie bei 1:103, mit dem Velo bei 1:4000 und bei einem Hundeangriff bei 1:115'000.

Pannen, ein Rücktritt und ein mysteriöser Tod

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Legende: Der abtretende Boeing-Chef Dave Calhoun vor Medienschaffenden in Washington. Keystone/AP/J. SCOTT APPLEWHITE

Boeing steht aktuell verstärkt im Blickfeld. Vor kurzem kündigte Konzernchef Dave Calhoun seinen Rückzug an. Im Wochentakt gibt es Berichte über verlorene Räder oder Türen, brennende Triebwerke oder technische Probleme, die ein Absacken in der Luft zur Folge haben, wobei Passagiere verletzt werden. Anfang Januar verlor eine so gut wie neue Maschine des Typs 737-9 Max im Steigflug nach dem Start einen türgrossen Teil der Kabinenwand.

Mitte März veröffentlichte die «New York Times» Teile des Untersuchungsberichtes der US-Luftaufsichtsbehörde FAA. Sie stellte Boeing ein miserables Zeugnis aus. Die FAA überprüfte während sechs Wochen 89 Produktionsprozesse und Produkte von Boeing. Fazit: Bei 33 Audits erfüllte Boeing die gesetzlichen Sicherheits- und Qualitätsstandards nicht. Der Boeing-Hauptzulieferer Spirit Aero Systems, der unter anderem den Rumpf der Boeing-Maschinen baut, erfüllte die Vorgaben in sechs von 13 Fällen nicht.

Hinzu kam vor wenigen Wochen der Tod eines Boeing-Whistleblowers unter Gewaltanwendung. Der 62-jährige Ingenieur wurde tot in seinem Auto in South Carolina aufgefunden. Sein Körper wies laut Medienberichten Wunden auf. Der Mann war ein Leben lang für Boeing tätig gewesen und befand sich in South Carolina, um vor einem Gericht gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber auszusagen. Der Ingenieur hatte seit 2019 öffentlich auf Sicherheitsprobleme bei Boeing aufmerksam gemacht.

Panne ist nicht gleich Panne. Wenn mitten im Flug ein Teil des Rumpfs herausbricht, ist das ein schwerwiegender Vorfall. «Nur durch grosses Glück ist hier nicht mehr passiert», schätzt die Expertin. «Das war tatsächlich ein Boeing-Problem und hat die Führung auch den Job gekostet.»

Die Zwischenfälle der letzten Wochen und Monate können also schwerwiegende Folgen für Boeing haben. Frommberg gibt aber zu bedenken, dass derzeit eine gewaltige mediale und öffentliche Aufmerksamkeit auf Boeing liegt – und auch kleinere Vorfälle eine grosse Resonanz finden. Ausserplanmässige Landungen oder den Verlust eines Rades gebe es beispielsweise auch bei Airbus. «Diese Dinge passieren, und es liegt auch nicht immer am Hersteller.»

Gegroundete Boeing 737 Max in Seattle im März 2019.
Legende: Neu sind die Negativschlagzeilen um den US-Flugzeugbauer Boeing nicht. Im Oktober 2018 und März 2019 stürzten zwei Boeing 737 Max ab, dabei starben 346 Menschen – das Modell wurde für längere Zeit gegroundet. Seither gab es allerdings keine Abstürze mehr. Keystone/EPA/GARY HE

Die Journalistin recherchiert derzeit zur Sicherheitskultur bei dem US-Konzern – und hier gebe es tatsächlich Probleme. Von Mitarbeitenden, die sich nicht trauen, Fehler zu melden, über die mangelhafte Information von Piloten und Flugpersonal über Funktionen der verschiedenen Flugzeugtypen bis hin zu Nachlässigkeiten bei Zulieferern. «Hier tut sich jetzt auch etwas bei Boeing», sagt Frommberg. «Aber der Konzern hat noch einen langen Weg vor sich.»

Fest steht: Die Behörden durchleuchten Boeing derzeit genau. Und der Wechsel in der Chefetage bietet für die Expertin die Chance, eine neue Unternehmens- und Fehlerkultur voranzutreiben. So besteht also durchaus Hoffnung, dass es bald wieder ruhiger um Boeing wird – und auch das mulmige Gefühl bei manchen Passagieren wieder verschwindet.

SRF 4 News, 08.04.2024, 17:15 Uhr;

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