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Parlamentswahl in Kanada Trudeau gewinnt – verliert aber absolute Mehrheit

  • Trotz deutlicher Schwächung und dem Verlust der absoluten Mehrheit kann der liberale Premierminister Justin Trudeau in Kanada weiterregieren.
  • Laut vorläufigem Endergebnis erringen Trudeaus Liberale 157 Sitze im Parlament, bisher hatten sie 184 Mandate inne.
  • Für eine absolute Mehrheit wären 170 Sitze nötig gewesen.

«Wir werden zusammen vorwärtsgehen in eine bessere Zukunft», sagte Trudeau am frühen Dienstagmorgen in seiner Ansprache vor Anhängern in Montréal. Sein Team werde für alle Kanadier kämpfen. Die Konservativen lagen aufgrund des Direktwahlsystems mit 121 Mandaten deutlich hinter den Liberalen, obwohl sie insgesamt die meisten Stimmen erhielten.

Justin Trudeau mit seiner Frau Sophie Gregoire.
Legende: Justin Trudeau freut sich mit seiner Frau Sophie Gregoire über den Wahlsieg. Keystone

Das Ergebnis bedeutet, dass die Liberalen zum Regieren nun die Duldung kleinerer Parteien brauchen und sich aktiv Mehrheiten suchen müssen, beispielsweise bei den Sozialdemokraten oder dem erstarkten regionalen Bloc Québécois. Minderheitsregierungen sind in Kanada nichts Ungewöhnliches, haben in der Regel aber eine kürzere Halbwertszeit als Kabinette, die sich auf eine absolute Mehrheit stützen.

An seine Kritiker gewandt sagte der 47-jährige Trudeau in der Nacht zum Dienstag vor Unterstützern, er habe ihre Enttäuschung vernommen und werde sicherstellen, dass ihre Stimmen gehört werden. Die liberale Regierung werde fortsetzen, was sie in den vergangenen vier Jahren begonnen habe. Dazu gehörten der Kampf gegen den Klimawandel und gegen die Waffengewalt.

Kämpferische Opposition

Der konservative Spitzenkandidat Andrew Scheer gab sich kämpferisch gegenüber Trudeau: «Seine Führung ist angeschlagen und seine Regierung wird bald vorbei sein», sagte er. Und wenn sie falle, würden die Konservativen bereitstehen: «Wir sind die Regierung in Lauerstellung». Scheer betonte, dass die Konservativen insgesamt mehr Stimmen als die Liberalen erhalten hätten.

Ein Premier als Aladdin

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Kanadas Premier Trudeau hatte in den vergangenen Monaten nicht viel zu feiern. Erst wurde öffentlich, dass er Ermittlungen gegen das kanadische Unternehmen SNC-Lavalin wegen Bestechung in Libyen unterdrücken wollte. Eine Ethik-Kommission bescheinigte ihm falsches Verhalten.

Im September dann tauchte ein 20 Jahre altes Bild auf, das Trudeau mit dunkel geschminktem Gesicht – verkleidet als Aladdin – auf einer Party zeigte. Er entschuldigte sich für sein «rassistisches» Verhalten, sei schon immer «von Kostümen mehr begeistert gewesen, als es manchmal angebracht ist».

Der Anführer des Bloc Québécois, Yves-François Blanchet, streckte den Liberalen unter Vorbehalt die Hand aus: Die Regionalpartei könne mit jeder Regierung kooperieren. «Wenn das, was vorgeschlagen wird, gut für Quebec ist, dann wird der Bloc Québécois es unterstützen», meinte er. Die Partei der frankofonen Minderheit errang mit 32 Sitzen im Parlament (2015: 4) einen grossen Sieg.

Jagmeet Singh von den Sozialdemokraten, die mit 24 Sitzen (44 in 2015) hinter den Erwartungen zurückblieben, versprach eine «konstruktive und positive» Rolle. «Wenn die anderen Parteien mit uns zusammenarbeiten, haben wir eine unglaubliche Chance, das Leben der Kanadier so viel besser zu machen.» Elizabeth May von den Grünen lobte die drei Sitze ihrer Partei als bestes Ergebnis ihrer Geschichte.

Es wird erwartet, dass die kleineren Fraktionen im Abgeordnetenhaus deutlichen Einfluss auf die Regierung nehmen werden. Deren Bilanz in den vergangenen vier Jahren war durchwachsen: Zwar hatte sie wie versprochen Marihuana legalisiert und mehr als 25 000 syrische Flüchtlinge im Land aufgenommen. Einige seiner Versprechen, wie eine Wahlrechtsreform oder einen ausgeglichenen Haushalt bis 2019, konnte Trudeau aber nicht halten.

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