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Parteikonvent der Demokraten Bidens Rede der Hoffnung lässt Demokraten aufatmen

Die Nervosität bei den demokratischen TV-Experten ist spürbar in den Stunden vor Bidens Convention-Auftritt. Ist der 77-Jährige der Aufgabe gewachsen? Wird er sich einen seiner berüchtigten Ausrutscher leisten? Bei den Reden im Vorwahlkampf hatte er das eine oder andere Mal den Faden verloren, wirkte nicht immer fit.

Und in der Tat beginnt Biden etwas wackelig, spricht nicht jedes Wort deutlich aus. Doch dann wird er zunehmend sattelfest, und zum Schluss hin läuft er zu Hochform auf. Emotional und kraftvoll wie selten verkündet er seine Botschaft.

Mit rhetorischer Kraft gegen düstere Ambiance

Er zeichnet einen Kontrast zu Trump, der stärker kaum sein könne. Licht gegen Dunkelheit, Mitgefühl gegen Härte, Einheit gegen Spaltung. Es ist primär ein Kontrast des Charakters, den Biden aufzeigt. Geprägt von tragischen Verlusten in seiner Familie spricht er den Angehörigen von Opfern des Coronavirus sein Mitgefühl aus.

Das Setting hat etwas Apokalyptisches. Keine Fans in der Halle, kein Applaus, keine Ballone. Mit aller rhetorischen Kraft versucht Biden gegen die düstere Ambiance anzukämpfen, streut immer wieder positive Begriffe ein: Licht, Hoffnung, Liebe. Er wirkt dabei fast wie ein Pastor.

Aufatmen der Demokraten

Biden verspricht, die grossen Krisen dieser Zeit anzugehen. Den Klimawandel will er bekämpfen, den Rassismus aufarbeiten, die Coronakrise mit Hilfe der Wissenschaft beenden. Dass er dabei kaum ins Detail geht, ist nicht überraschend. Es gilt, eine möglichst breite Koalition zu schmieden und keine Wählergruppe zu vergraulen.

Am Schluss gibt es doch noch ein Feuerwerk im Freien vor der Halle. Und auf CNN wischt sich Van Jones, Ex-Berater von Präsident Obama, demonstrativ den Schweiss von der Stirn: «Das Geräusch, das sie gerade im ganzen Land hören, ist das Aufatmen der Demokraten».

Eine Rede des Lichts in Zeiten der tiefen Krise. Das könnte funktionieren, es passt zum amerikanischen Optimismus. Biden hat den ersten grossen Test bestanden. Nun folgen drei TV-Debatten gegen den gewieften Rhetoriker Donald Trump. Van Jones wird wohl wieder ins Schwitzen kommen.

Thomas von Grünigen

USA-Korrespondent, SRF

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Thomas von Grünigen ist seit Januar 2015 SRF-Korrespondent in New York. Zuvor arbeitete er in der «Rundschau»-Redaktion von SRF. Seine ersten Schritte im Journalismus machte er beim US-Sender ABC News und beim Lokalsender TeleBärn. Er hat an den Universitäten Freiburg und Bern sowie an der American University in Washington DC Medienwissenschaft, Journalistik und Anglistik studiert.

SRF 4 News, 01:00 Uhr

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