40'000 Raketen wolle Ägyptens Präsident produzieren und heimlich nach Russland liefern lassen. Das jedenfalls berichtete die «Washington Post» vergangene Woche, gestützt auf Dokumente der Pentagon Leaks. Ein heikles Geschäft – umso mehr, als dass Ägypten jedes Jahr Rüstungshilfe in Milliardenhöhe aus den USA bekommt. Doch was ist dran?
Ägypten streitet Waffenproduktion ab
Von offizieller Seite wurde die Pläne sofort und energisch dementiert, sagt Journalistin Astrid Frevel, langjährige Zeitungskorrespondentin in Kairo, gegenüber SRF. Das Aussenministerium betonte, Ägypten habe seit Beginn dieses Krieges eine Einmischung ausgeschlossen und behalte zu beiden Seiten dieselbe Distanz. Man unterstütze die UNO-Charta und halte sich an internationales Recht. Es gebe auch regierungsnahe Quellen, die von gefälschten Meldungen sprachen.
Eine Verifizierung der Informationen sei schwierig, schätzt Frevel. Dies, weil Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi die Instruktionen erst am 17. Februar gegeben haben soll, unter dem Siegel «geheim». Ausserdem enthielten die Leaks keine Details zu den Raketen. Daher würden die lokalen Medien oder Experten auch nicht spekulieren, ob die ägyptische Rüstungsindustrie überhaupt in der Lage wäre, solche Waffen zu produzieren.
Tatsache ist aber, so Frevel, dass Ägypten in den letzten Jahren einen massiven Ausbau der Militär Güterproduktion angekündigt hat – um die Selbstversorgung zu verbessern und die US-Abhängigkeit zu reduzieren. Dazu hat Ägypten viele Kooperationsverträge, etwa auch mit Russland oder Belarus, abgeschlossen.
Enge Beziehung
Auch abgesehen von dem Rüstungsgeschäft sei die ägyptisch-russische Beziehung eng, erklärt Frevel. Moskau habe bei der Fertigstellung des Assuan-Staudamms geholfen und baue jetzt das erste ägyptische Atomkraftwerk. Russische Touristen stellten vor Corona die grösste Gruppe. Dieses Geschäft komme jetzt langsam wieder in Schwung.
Zudem trage Ägypten auch nicht die Sanktionen gegen Russland mit. Man habe Wege gefunden, um die finanziellen Restriktionen, etwa bei den Kreditkarten, zu umgehen.
Und der wohl wichtigste Faktor, gemäss Frevel: Russland ist der grösste Weizenlieferant Ägyptens. Man habe erst vor kurzem wieder einen neuen, umfangreichen Liefervertrag zu sehr vorteilhaften Bedingungen geschlossen.
Im Spagat zwischen Russland und USA
Die Regierung in Kairo laviert seit Jahrzehnten geschickt zwischen Russland und den USA, erklärt Frevel, wobei die Beziehung zu Washington nicht immer störungsfrei sei. Nach dem Putsch 2013 haben die USA die Waffenlieferungen teilweise eingefroren.
Russland sei der einfachere Partner, weil er keine politischen Bedingungen wie Demokratisierung und Menschenrechte stelle. Das sage die Regierung nicht offen – aber in Zeitungskolumnen oder im Gespräch mit Ägyptern sei viel Kritik an der US-Politik zu hören, so Frevel. Den USA wird vorgeworfen, dass sie mit den teils militärischen Interventionen die Spannungen in der Region nur noch verstärken und viel Unheil anrichten.
Dennoch sei es im Moment kaum vorstellbar, dass Kairo bewusst das Risiko eingehe, die sehr wichtigen Beziehungen zu den USA zu gefährden, schätzt Frevel. Dies würde wahrscheinlich auch die Armee verhindern, da die militärische Abhängigkeit derzeit noch viel zu gross sei. Erst am Wochenende seien gemeinsame Manöver mit US-Spezialkräften zu Ende gegangen. Aber das Bestreben, die US-Abhängigkeit sowohl militärisch als auch politisch zu reduzieren, sei unverkennbar.