Vergangene Woche sind Lecks aus dem Inneren des US-Sicherheitsapparats publik geworden. Mittlerweile wurde ein Verdächtiger festgenommen. Die veröffentlichten Lageberichte decken vom Ukraine-Krieg bis zur Innenpolitik von befreundeten Staaten ein breites Spektrum ab. Nicht alle Enthüllungen weisen aber die gleiche Sprengkraft auf. Eine Übersicht.
Sehr brisant
Schwächelnde ukrainische Luftabwehr: Bislang hat eine starke Luftverteidigung die Ukraine vor Schlimmerem bewahrt. Doch die US-Militärs zeichnen ein pessimistisches Bild davon, wie lange das so bleiben wird. Kiew weist demnach einen hohen Raketen-Verschleiss auf, Nachschub kommt nur spärlich an. Bereits am 2. Mai könnten die Raketen für das Luftabwehrsystem S-300 ausgehen, völlig ausgeschossen könnte Kiew gemäss den Dokumenten am 23. Mai sein.
Gemäss dem diplomatischen Korrespondenten von SRF, Fredy Gsteiger, sind die Informationen explosiv. «Sie liefern Moskau Informationen, wo es aus der Luft erfolgreich angreifen kann.»
Waffenlieferungen an beide Kriegsparteien: Das Logistikprojekt der USA und ihrer Partner hat mittlerweile riesige Ausmasse angenommen. Überraschenderweise soll auch Serbien, historisch ein Verbündeter Moskaus, sich bereit erklärt haben, Waffen an Kiew zu liefern. Es ist nicht klar, ob es tatsächlich dazu gekommen ist. Belgrad dementiert. Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate sollen hingegen Waffenlieferungen an Moskau geprüft haben.
Die Informationen waren gemäss Fredy Gsteiger bislang nicht bekannt. «Sie könnten zu Verstimmungen unter den Ländern führen.»
Lecks im russischen Sicherheitsapparat: In den Lageberichten wird deutlich, wie tief die US-Geheimdienste den russischen Sicherheitsapparat infiltriert haben. Es finden sich neben Details zu Plänen des russischen Militärs auch Verweise auf Machtkämpfe innerhalb des Kremls. So soll etwa der Auslandsgeheimdienst FSB dem Militär vorwerfen, die wahren Todeszahlen in der Ukraine zu verschleiern.
«Diese Enthüllungen erlauben es Russland, Rückschlüsse über eigene Lecks zu ziehen, diese zu schliessen und Informanten zu bestrafen», so Fredy Gsteiger.
Mässig brisant
Unterstützung der Ukraine durch den Westen: Die veröffentlichten Lageberichte enthalten detaillierte Angaben über den Kriegsverlauf. An mehreren Stellen werden Vorbereitungen für eine anstehende Frühlingsoffensive Kiews angesprochen, mitsamt Artillerielieferungen und der Anzahl benötigter Panzer.
Gemäss Fredy Gsteiger zeigen die Veröffentlichungen, wie stark das Engagement der USA und der Nato für die Ukraine ist. Wirklich neu sei das aber nicht.
Bespitzelung von Partnern: Die US-Geheimdienste spionieren Alliierte offenbar genauso aus wie geopolitische Gegner. Innerhalb der südkoreanischen Regierung herrscht offenbar Uneinigkeit in der Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine. Zudem finden sich in den Dokumenten Verweise auf die Überwachung des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski sowie des UNO-Chefs Antonio Guterres. In Israel haben offenbar Teile des Geheimdienstes Mossad aktiv versucht, die Proteste gegen die Justizreform von Premierminister Benjamin Netanyahu zu unterstützen.
«Diese Enthüllungen kommen nicht wirklich überraschend. Dennoch können sie zu einem Vertrauensverlust und politischer Verstimmung unter Partnern führen», sagt Fredy Gsteiger.
Wenig brisant
Zahlen zu Kriegsopfern: Die USA gehen davon aus, dass Russland bislang 189'500 bis 223'000 Tote oder Verwundete zu beklagen hat (43'000 in direkten Kampfhandlungen). Auf Seiten der Ukraine sollen es 124’500 bis 131’000 (17'500 in direkten Kampfhandlungen) sein.
Fredy Gsteiger dazu: «Die Zahlen sind weitgehend bekannt, auch wenn es je nach Quelle Unterschiede gibt.»