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Phänomen Sebastian Kurz Vom Jungkanzler zum Teflonpolitiker

Am Sonntag wählt Österreich. Der Ex-Kanzler führt sämtliche Umfragen an. Affären können den 33-Jährigen nicht ausbremsen.

Der Slogan der ÖVP im Wahlkampf lautet: «Damit weitergeht, was gut begonnen hat». Denn Sebastian Kurz war durch die Ibiza-Affäre jäh gestoppt worden. Der Aufstieg des einstigen Aussenministers zum Bundeskanzler bleibt jedoch wichtiger Teil der Erzählung. «Die jungen ÖVPler waren irgendwelche Schnösel, die mit dem schicken Wagen des Vaters herumfuhren», erinnert sich Schriftsteller Michael Köhlmeier. «Es wurde nicht wahrgenommen, dass es so etwas wie eine junge ÖVP überhaupt gibt.»

Die jungen ÖVPler waren irgendwelche Schnösel, die mit dem schicken Wagen des Vaters herumfuhren.
Autor: Michael Köhlmeier Schriftsteller

Wenn Kurz nicht erfolgreich gewesen wäre, wäre er sofort weg gewesen, so Köhlmeier. «Er war aber erfolgreich. Das hat allen Kritikern in der Partei die Luft weggenommen. Zweitens hat er alle Alten geschasst. Die Alten haben nichts mehr zu sagen in der Partei.»

Österreichs jüngster Kanzler machte zwar Politik mit Jungen, aber nicht speziell für die Jungen. Es sind denn auch vor allem die Älteren von ihm begeistert. Eine Seniorin im Stadtpark lobt den Studienabbrecher, der oft bei der Grossmutter auf dem Bauernhof war. «Diese Kinder sind ruhiger als die Stadtkinder. Das will der Österreicher. Das Ruhige, das kommt gut an.»

Kein Skandal kann ihm etwas anhaben

Kurz spielt seine Rolle als Spitzenkandidat perfekt, inszeniert sich als Opfer und zeigt dabei auf alle andern, auch bei Rundfunkauftritten. «Das ständige Anpatzen anderer und den ständigen Versuch, anderen Korruption oder Ähnliches zu unterstellen, ist ein Stil, den ich ablehne», sagte er einmal.

Nicht alle Vorwürfe konnte die ÖVP entkräften. Mehrere Affären blieben fragwürdig, es flogen Tricksereien bei der Wahlkampffinanzierung und den Parteispenden auf. Die Umfragewerte aber bleiben fast unverändert hoch.

Jeder einzelne Skandal in diesem Wahlkampf hätte einen Politiker in der Vergangenheit wahrscheinlich zu Fall gebracht.
Autor: Jakob-Moritz Eberl Forscher in politischer Kommunikation

Wahlforscher Jakob-Moritz Eberl glaubt an eine Gewöhnung: «In der Politik gibt es mittlerweile so viele Skandale, dass der einzelne gar nicht mehr als skandalös wahrgenommen wird. Jeder Skandal in diesem Wahlkampf hätte einen Politiker in der Vergangenheit wahrscheinlich zu Fall gebracht.»

Kommt dazu, dass Kurz auch diesmal wieder einen hochprofessionellen Wahlkampf führt. Er vergraule niemanden mit Sachthemen. Selbst die Migration spiele – anders als 2017 – diesmal kaum eine Rolle, so Eberl.

So professionell wie ein PR-Manager

Die Plakate seien sehr gut, alles sei auf ihn als Person zugeschnitten, sagt Eberl. «Wenn man nun im Nachhinein erfährt, dass das Wahlkampfbudget um fast um das Doppelte überschritten wurde, erklärt das natürlich einiges.»

Aber davon bleibt nichts hängen – Kurz sei ein Teflonpolitiker, meint Politologe Anton Pelinka: «Längerfristig ist Kurz' Problem, dass seine Professionalität die eines PR-Managers ist. Was er verkauft, wofür er inhaltlich steht, ist schwer zu greifen, seine inhaltliche Blässe könnte im Widerspruch gesehen werden zu seiner äusseren Glätte.» Momentan gehe die Rechnung für ihn noch auf. «Aber Teflonpolitiker sind nie für die Ewigkeit geschaffen.»

Seine inhaltliche Blässe könnte im Widerspruch gesehen werden zu seiner äusseren Glätte.
Autor: Anton Pelinka Politologe

Der alte Kanzler werde fast sicher auch wieder der neue – eine Mehrheit an ihm vorbei werde kaum möglich sein. «Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sich Kurz am Wahlabend zu einem stupenden Wahlsieg gratulieren lassen und dann könnte es passieren, dass er plötzlich alleine ist, weil er keinen Koalitionspartner findet. Das könnte monatelang andauern.»

Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein wird wohl noch länger gebraucht: Österreich macht sich auf lange Koalitionsverhandlungen gefasst.

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