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Politbeben in Tokio Schwarze Kassen und Inflation: Japans Premier Kishida gibt auf

Wirtschaftliche Probleme und ein Korruptionsskandal: Der japanische Ministerpräsident hat seinen Rückzug angekündigt.

Darum geht es: Der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida will im September nicht mehr für den Vorsitz der Regierungspartei LDP kandidieren. Damit gibt er gleichzeitig den Posten des Ministerpräsidenten auf, denn dieser ist traditionell an den Parteivorsitz geknüpft. Die Liberaldemokratische Partei ist seit 2012 an der Macht und kontrolliert beide Kammern des japanischen Parlaments.

Kishida kündigt seinen Rücktritt an.
Legende: Premier Kishida tritt ab. Damit ist in der viertgrössten Volkswirtschaft der Welt der Startschuss für das Rennen um die Regierungsspitze gefallen. Getty Images/Philip Fong-Pool

Darum zieht sich Kishida zurück: Kishida war fast drei Jahre lang Ministerpräsident, eine in der neueren japanischen Geschichte relativ lange Amtszeit. Seine Regierung büsste jedoch aufgrund eines Spendenskandals an Beliebtheit ein. Auch die Wirtschaftslage schadete Kishidas Popularität. Die Haushalte litten darunter, dass die Preissteigerungen die Lohnerhöhungen übertrafen. «Die Japanerinnen und Japaner waren vor allem so unzufrieden, weil Kishida nicht genug gegen die Inflation unternommen hat», berichtet der Journalist Martin Fritz aus Tokio.

Kishida (ganz links) am G7-Gipfel vom Juni in Italien.
Legende: In Umfragen kamen Kishida und sein Kabinett monatelang nicht über 30 Prozent Zuspruch. Solche schwachen Werte sind in Japan oft Auslöser für Neuwahlen oder einen Führungswechsel. Bild: Kishida (ganz links) am G7-Gipfel vom Juni in Italien. Christopher Furlong/Getty Images

Die schwarzen Kassen: Der Korruptionsskandal in Kishidas Partei brachte das Fass schliesslich zum Überlaufen. Diverse Abgeordnete werden beschuldigt, systematisch Geld in schwarze Kassen geleitet zu haben. Es sei wichtig, den Menschen zu zeigen, dass sich die LDP verändere, sagte Kishida. Und dafür sei sein Rücktritt der erste Schritt. Demnach opfert sich der Premier also für seine Partei. An dieser Lesart meldet Fritz allerdings Zweifel an: «Viele Politiker geben ihrem eigennützigen Handeln gerne einen gemeinnützigen Anstrich.»

Kishidas Glaubwürdigkeitsproblem: Inhaltlich hat Kishida aber einen Punkt. Denn die Regierungspartei braucht tatsächlich ein neues Gesicht, wenn sie die Gunst der Japanerinnen und Japaner zurückgewinnen will. «Die Menschen fanden es nicht glaubwürdig, wie Kishida mit dem Spendenskandal umgegangen ist», sagt Fritz. Zwar löste Kishida Machtklüngel in seiner Parlamentsfraktion auf und setzte eine Verschärfung des Spendengesetzes durch. Zudem traten mehrere seiner Minister zurück. Weite Teile der Bevölkerung zweifelten aber weiterhin am Reformwillen des Regierungschefs: Denn bis ins engste Umfeld von Kishida wurden Gelder abgezwickt.

Strassenszene in Tokio, im Hintergrund ein News-Banner mit Kishidas Rücktrittsankündigung.
Legende: Parteiintern blickte man mit Sorge auf Kishidas bröckelnde Popularität. Nun will die LPD unter neuer Führung in die Parlamentswahlen von nächstem Jahr gehen. Journalist Fritz spricht von Wahltaktik: «Es ist keine moralische Wende der Partei.» Keystone/EPA/KIMIMASA MAYAMA

Kishidas Vermächtnis: In Erinnerung bleiben wird Premier Kishida vor allem wegen «Japans endgültigem Abschied von seiner pazifistischen Aussen- und Sicherheitspolitik», wie es Fritz ausdrückt. Diese Politikwende sei in der japanischen Politik und Bevölkerung breit abgestützt. Das Inselreich will künftig eine aktivere militärische Rolle in der Region einnehmen und rüstet militärisch massiv auf. So will es Chinas Hegemonieansprüchen in der Region und der Bedrohung durch Nordkorea entgegentreten. Gleichzeitig will Japan die Zusammenarbeit mit den USA weiter verstärken.

Japanische Infanterie-Soldaten bei Militärparade.
Legende: Japan verabschiedet sich von seiner traditionellen Verteidigungsdoktrin. Nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg hatte sich das Land eine «Friedensverfassung» auferlegt, die ihm auch das Recht auf Kriegführung absprach. Getty Images

So geht es weiter: In Japan wird der Chef der regierenden Partei oder einer Parteienkoalition in der Regel Ministerpräsident. In fast der gesamten Nachkriegsgeschichte Japans bedeutete dies, dass der Ministerpräsident von Kishidas LDP gestellt wurde. Die LDP muss alle drei Jahre über ihre Führung abstimmen. Die nächste Wahl steht im September an, ein konkreter Termin steht noch nicht fest. Der ehemalige Verteidigungsminister Shigeru Ishiba und Ex-Aussenminister Toshimitsu Motegi zählen zu den Favoriten für die Nachfolge Kishidas.

Echo der Zeit, 14.08.2024, 18 Uhr ; 

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