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Politikerin an privater Party Finnlands Ministerpräsidentin wegen Partyvideo unter Druck

Sanna Marin zeigt sich in einem Video in Feierlaune. Die Frage ist: Was darf ein Politiker, eine Politikerin privat tun?

Darum geht es: Ein Video , auf dem man die finnische Regierungschefin ausgelassen tanzen sieht, macht die Runde. Sanna Marin lacht, feiert. Das Video wurde vor ein paar Wochen aufgenommen und stammt aus dem Freundeskreis der 36-Jährigen. Es ist also eigentlich privat – hat aber den Weg an die Öffentlichkeit gefunden. Auf allen Plattformen wird es seither geteilt und sorgt für heftige Diskussionen. Selbst das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Finnland hat das Video gezeigt.

Das sind die Reaktionen: «Einerseits sagen viele Finninnen und Finnen, das ist doch ihr Privatleben, damit haben wir nichts zu tun», erklärt SRF-Nordeuropa-Mitarbeiter Bruno Kaufmann. «Natürlich sieht man sich das Video aber trotzdem an.» Andererseits gibt es auch viele negative Reaktionen: «Stimmen, die sagen, das sei doch unwürdig, eine Ministerpräsidentin so zu sehen, sie so ausgelassen zu betrachten.»

Eine Festival-Ministerpräsidentin ist sie eigentlich nicht.
Autor: Bruno Kaufmann Nordeuropa-Mitarbeiter

Das ist die Vorgeschichte: Marin falle nicht durch besonders häufige oder ausgiebige Partys auf, sagt Kaufmann. Mit einer Ausnahme: «Im letzten Dezember wurde sie heftig kritisiert, als sie während dem Höhepunkt der vierten Coronawelle in einem Club in Helsinki feierte, ohne Handy, und deshalb nicht darauf aufmerksam gemacht werden konnte, dass sie sich davor gerade mit Corona-positiven Personen getroffen hatte.» Dafür habe sie sich entschuldigen müssen. «Aber eine Festival-Ministerpräsidentin ist sie eigentlich nicht», sagt Kaufmann.

Dafür steht Sanna Marin: Sie ist ein Symbol eines modernen, offenen, weiblicheren, jüngeren Finnlands. Denn: Finnland ist ja ein Land, das bereits 1906 das allgemeine Stimm- und Wahlrecht für Frauen und Männer gleichzeitig einführte, als erstes Land in Europa überhaupt. Trotzdem mussten die Finnen und Finninnen lange warten, bis Frauen und vor allem jüngere Frauen politische Macht übernehmen konnten. Vor vier Jahren wurde Marin, die in einer Regenbogenfamilie aufgewachsen ist, mit 33 Jahren zur Ministerpräsidentin gewählt. Sie ist sehr populär.

So reagiert die Politikerin selbst: Marin scheine lieber zu feiern, als sich um die Nöte der Leute zu kümmern, lautet der Vorwurf an die sozialdemokratische Ministerpräsidentin. Am Donnerstag hat sie sich nun selbst in einem Zeitungsinterview zu dem Video geäussert. Sie habe nichts Illegales getan, sagt sie. «Und dass sie sagt, sie habe ein Recht auf ein Privatleben, sie dürfe feiern wie alle anderen Gleichaltrigen, das bringt ihr eigentlich vor allem Zuspruch», so Kaufmanns Beobachtung.

Doch natürlich hat sie auch politische Gegner, für die das geleakte Video ein gefundenes Fressen ist. Schliesslich verantwortete sie seit ihrer Wahl viele grosse Entscheidungen: Da war etwa ihre Politik während der Pandemie. Und im Frühjahr der Einmarsch Russlands in der Ukraine, als Finnland die Neutralität aufgab und sich für den Nato-Beitritt entschied.

Diese Folgen könnte der Fall haben: «Unter den jetzigen Bedingungen kann ihr das Video nicht schaden», glaubt Kaufmann. Es gehe allerdings auch um die Frage, ob an diesem Fest, an dem sie war, auch illegale Drogen konsumiert wurden. «Wäre das wirklich der Fall, hätte das Konsequenzen für ihre Glaubwürdigkeit. Und würde sich das bestätigen, wäre das natürlich ein Rücktrittsgrund.» Aber im Moment deute nichts darauf hin. «Das sind vor allem Mutmassungen der Opposition.»

SRF 4 News, 19.08.2022, 8:15 Uhr ; 

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