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Politische Krise im Sudan Volker Perthes: «Gespräch soll helfen, Schlimmeres zu vermeiden»

Im Sudan gehen regelmässig Tausende auf die Strasse. Das Militär versucht, die Proteste mit Gewalt zu verhindern. Generäle und Zivilisten stehen sich unversöhnlich gegenüber, seit die Armee Ende Oktober die Macht an sich gerissen hat. Das Land ist blockiert und wirtschaftlich isoliert.

Jetzt lanciert der UNO-Sonderbeauftragte Volker Perthes neue Gespräche. Die UNO hat Konsultationen gestartet mit Militär, Parteien, Rebellengruppen und zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Volker Perthes

UNO-Sonderbeauftragter für Sudan

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Der Sonderbeauftragte der UNO für den Sudan ist seit Anfang 2021 im Amt. Perthes führt die UNO-Mission UNITAMS, welche den Sudan beim Übergang zu Wahlen und Demokratie unterstützen soll. Zuvor war er Direktor der deutschen «Stiftung Wissenschaft und Politik» SWP.

SRF News: Was ist das Ziel Ihrer Treffen mit verschiedenen Akteuren im Sudan?

Volker Perthes: Wir wollen das Misstrauen überwinden und einen politischen Prozess anstossen. Seit dem Militärputsch vom 25. Oktober ist das Vertrauen zwischen Zivilisten und Militärs noch geringer geworden. Aber wenn der Sudan nicht Schlimmeres erleben soll, dann muss die Gewalt enden und das Gespräch wieder beginnen.

Und wie sind Ihre ersten Erfahrungen?

Einige Kräfte lehnen Gespräche ab, andere sind froh, dass die UNO ihr Engagement erhöht. Die Widerstands-Komitees, welche die Proteste organisieren, fragen uns: «Wollt ihr uns etwa zwingen, mit dem Militär an einem Tisch zu sitzen?» Doch wir zwingen niemanden. In einer ersten Phase möchten wir von allen Gruppen wissen, wie sie das Land wieder in Richtung demokratischer Transformation und Frieden steuern würden. 

Die Armee schiesst regelmässig auf Protestierende. Können Sie nachvollziehen, dass zivile Organisationen nicht mit dem Militär an einem Tisch sitzen wollen?  

Natürlich verstehe ich das Misstrauen. Seit dem 25. Oktober sind 63 Menschen ums Leben gekommen, überwiegend durch scharfe Munition von den Sicherheitskräften.

Auch das Militär weiss, dass es die aktuelle politische Krise nicht alleine lösen kann.

Doch ein Konsens zumindest zwischen den zivilen Kräften sollte möglich sein. Und auch das Militär weiss, dass es die aktuelle politische Krise nicht alleine lösen kann. 

Aber wie könnte Sudans Politik künftig aussehen? Eine Machtteilung zwischen Armee und Zivilisten, wie nach dem Sturz von Langzeitherrscher Baschir im Jahr 2019, diese Option ist vom Tisch? 

Ich habe kein vorgefertigtes Projekt in der Tasche. Aber unsere UNO-Mission arbeitet auf eine zivil geführte, demokratische Regierung hin. Das ist unser Auftrag.

Die Krise im Sudan

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Im April 2019 wurde Sudans Machthaber Omar al-Baschir vom Militär abgesetzt. Dazu hatten wochenlange Proteste geführt, die Bevölkerung feierte eine friedliche Revolution.

Nach zähen Verhandlungen einigten sich Militärs und zivilgesellschaftliche Organisationen auf eine gemeinsame Übergangsregierung. Das Ziel war, nach drei Jahren Wahlen abzuhalten.

Am 25. Oktober 2021 setzte die Armee die Regierung ab und übernahm vollständig die Macht im Land. Sofort gingen Sudanesinnen und Sudanesen auf die Strasse. Auch die Wiedereinsetzung von Premierminister Hamdok, einem Zivilisten, konnte die Protestbewegung nicht stoppen.
Internationale Akteure unterbrachen ihre wirtschaftliche Hilfe an Sudan. Die Armee versucht, Demonstrationen zu verhindern. Dabei kam es in den letzten Monaten zu Dutzenden Toten.

Die zivilen Organisationen lehnen eine erneute Machtteilung mit dem Militär, wie im Jahr 2019, kategorisch ab. «Die Widerstandskomitees sind derzeit daran, einen Fahrplan für die zukünftige Politik des Landes zu erstellen», erklärt die politische Analystin Kholood Khair. Dieser soll in den nächsten Wochen präsentiert werden. Ein breit abgestützter Konsens von unten sei erfolgversprechender als eine von oben implementierte Lösung, wie es die UNO anstrebe, so Khair.

Ihre Initiative wird vom Militär begrüsst, sowie von Staaten wie Ägypten oder Saudi-Arabien, welche das Militär unterstützen. Das weckt bei der Zivilbevölkerung Misstrauen!

Es war wichtig, dass sich das Militär positiv geäussert hat. Denn wir können nicht einen Prozess starten, der dann von den Machthabern sabotiert wird. Es haben sich jedoch auch viele zivile Akteure, politische Parteien für den Prozess ausgesprochen. Und Staaten, welche nicht dem Militär nahe stehen, wie die USA, Grossbritannien und Norwegen.

Eine Revolution und der Sturz des alten Regimes reichen nicht aus, um eine Demokratie zu errichten.

Vor einem Jahr traten Sie Ihre Aufgabe als Sonderbeauftragter der UNO für den Sudan an. Damals sprach man vom Übergang zu Wahlen, zur Demokratie. Heute sieht alles ganz anders aus.

Ja, allerdings. Aber nach 30 Jahren Diktatur und Jahrzehnten Bürgerkrieg, da reicht eine Revolution und der Sturz des alten Regimes eben nicht aus, um eine Demokratie zu errichten. Dazu braucht der Sudan politische und materielle Unterstützung. Es war immer klar, dass es Rückschläge geben kann, auch wenn wir nicht einen Militärcoup erwartet hatten. Jetzt ist die Frage: Bringen wir das Land wieder zurück auf den Weg Richtung Demokratie und Frieden?

Sind Sie manchmal frustriert?

Nicht offiziell...

Das Gespräch führte Samuel Burri.

Rendez-vous, 13.01.2022, 12:30 Uhr ; 

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