Die Polizei in Deutschland hat ein Image-Problem: Drogen und Drogenhandels-Vorwürfe in München, Terror-Drohbriefe in Hessen und ein rechtsextremer Chat in der Polizei von Nordrhein-Westfalen (NRW). Innenminister Herbert Reul (CDU) will die Probleme jetzt erkennen, benennen und lösen.
SRF News: Herr Innenminister Reul, Sie sagen, es seien in NRW keine Einzelfälle, aber auch kein strukturelles Problem. Wovon muss man dann sprechen?
Herbst Reul: Einzelne Fälle hat es in den letzten Jahren immer wieder gegeben. Mich hat jetzt erschreckt, dass es ein Chat mit 30 Menschen ist, wobei nicht alle Inhalte geliefert haben. Manche haben auch nur geschwiegen. Aber wer schweigt, macht sich mitschuldig. Strukturell ist es aber auch nicht, denn es arbeiten 50'000 Menschen in der nordrhein-westfälischen Polizei.
Die Mehrheit leistet eine ordentliche Arbeit und hat eine klare Haltung. Einige wenige, aber zu viele, richten sich nicht danach.
Es wird wahrscheinlich noch mehrere Fälle geben. Aber was jetzt neu ist, dass es nicht um einen Spruch, eine Fahne oder eine Kleidung geht, sondern um einen geschlossenen Chat, der sehr schwer zu entdecken ist. Das macht mir am meisten Sorgen. Es gibt also ein grundsätzliches Problem in der Polizei, um das wir uns kümmern müssen. Die Mehrheit der Polizei leistet eine ordentliche Arbeit und hat eine klare Haltung. Einige wenige, aber zu viele, richten sich nicht danach.
Es muss also geklärt werden, wie es dazu kommen kann, dass Polizisten eine solche Haltung einnehmen. Denn bevor sie Polizisten werden, werden sie vom Verfassungsschutz geprüft. Eine Studie zeigt zudem, dass im Laufe der Ausbildung die Menschen eher kritischer als anfälliger werden. Da stellt sich schon die Frage, was da im Dienst passiert. Das muss untersucht werden.
Haben Sie schon eine Vorstellung, zu welchen Schlüssen der eingesetzte Sonderbeauftragte kommen könnte?
Wenn ich es wüsste, würde ich sofort Entscheidungen treffen. Ich habe aber ein paar Fragen: Kann es damit zusammenhängen, dass kritische und wenig anfällige Polizisten im Laufe ihres Berufs einfach zu oft mit schwierigen Situationen konfrontiert werden und das Gefühl haben, nicht weiterzukommen?
Es gibt ein grundsätzliches Problem in der Polizei, um das wir uns kümmern müssen.
Kann es damit zusammenhängen, dass sie Menschen festnehmen und meinen, sie überführt zu haben, dann aber nicht sicherstellen können, dass sie verurteilt werden? Kann es sein, dass junge Menschen mit den Herausforderungen um sie herum überfordert sind? Brauchen sie mehr Hilfestellung bei Belastungen im Alltag?
Kann es sein, das machtlose Polizisten im Alltag zu Rassisten werden, wenn ihnen kriminelle Clans auf der Nase rumtanzen?
Ich kann das nicht ausschliessen. Aber das sind wirklich nur Vermutungen. Wenn es so ist, müssen wir uns Hilfestellungen überlegen.
Kann es sein, dass das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat erschüttert ist?
Es gibt in Deutschland Bewegungen wie Pegida und andere, die haben natürlich damit zu tun, dass einige Menschen – viel zu viele – die Frage stellen, ob der Staat noch funktioniert und ob den Politikern noch getraut werden kann. Das liegt jetzt an uns, zu beweisen, dass wir das können. Bei den Clans zum Beispiel sind Probleme jahrzehntelang verschwiegen worden und es ist weggeguckt worden.
Was müssen Sie sich als oberster Verantwortlicher vorwerfen?
Ich werfe mir im Moment gar nichts vor. Ich habe so viel damit zu tun, die Probleme zu erkennen, zu benennen und zu lösen.
Das Gespräch führte Peter Voegeli.