Frankreichs Linke tritt für die Präsidentschaftswahlen im April mit über zehn Frauen und Männer an. Eine riskante Strategie: Denn nur vereint habe eine linke Kandidatur überhaupt die Chance, den zweiten Wahlgang zu erreichen, zeigen alle politischen Prognosen.
Eine überparteiliche Gruppe linker Aktivistinnen und Aktivisten hat das Thema aufgegriffen. Sie hat eine Volksbefragung lanciert, für die sich über 460'000 Wählerinnen und Wähler eingeschrieben haben. Diese sollen bis Sonntagabend die ideale linke Kandidatur bestimmen.
Die Wahlplattform der « Primaire populaire » hat viele Eltern: Eine Gruppe von Aktivistinnen und Aktivisten aus der Klimabewegung und verschiedenen politischen Basisgruppen hat sie zusammengestellt und aus dem bestehenden Kandidatenfeld Personen ausgesucht, die ihrer Meinung nach zu dieser Plattform passen.
Eine Vorwahl nach bekanntem Muster ist die «Primaire populaire» nicht, dies gibt die Sprecherin der Initiativgruppe im Sender «France Culture» offen zu. Es gehe um eine Kandidatenkür durch das Volk. Die grosse Mehrheit der linken Basis wolle eine solche parteiübergreifende Kandidatur.
Im Grunde kämpfen die drei grossen Parteien auf der Linken vor allem um die Führungsrolle.
Eigentlich müssten Politiker Ideen und Werte vertreten und sich für die Interessen ihrer Wählerinnen und Wähler einsetzen. «Und diese wollen eine gemeinsame Kandidatur», sagt die Sprecherin der Initiativgruppe, Mathilde Imer. Nun sollen die über 460'000 eingeschriebenen Wählerinnen und Wähler entscheiden, wer diesem Profil für die Präsidentschaftswahl am besten entspricht.
Pech nur, dass die bekanntesten Kandidatinnen und Kandidaten von dieser «Primärwahl» gar nichts wissen wollen. Allen voran Jean-Luc Mélenchon, seit der Präsidentschaftswahl von 2017 die dominierende Figur im linken Lager. Mit knapp 20 Prozent der Stimmen verpasste er die Stichwahl damals nur um zwei Prozent.
Bei seinen Auftritten poltert Mélenchon regelmässig gegen die Volksbefragung und die Behauptung, dass die Linke nur bei einer Einheitskandidatur eine Chance habe: Im Gegenteil – alles sei verloren, wenn sich die Linke zusammenschliesse und dann bei umstrittenen Fragen endlos nach Kompromissen suche: «Es braucht klare Aussagen, wenn man Wählerinnen und Wähler mobilisieren und überzeugen will.» Er lasse sich auf keinen politischen Kuhhandel ein.
Mélenchon war vor einem Jahr als erster linker Kandidat für die Präsidentschaft angetreten. Seine Bewegung hatte innerhalb weniger Tage rund 200'000 Unterschriften gesammelt – darauf erklärte sich Mélenchon zum Kandidaten des Volkes.
Anne Hidalgo, Stadtpräsidentin von Paris und Kandidatin der Sozialisten, hatte ursprünglich selbst eine gemeinsame linke Primärwahl vorgeschlagen, eine offene Debatte zwischen den Kandidatinnen und Kandidaten. Aber als neben Mélenchon auch der Grüne Yannik Jadot ihren Vorschlag abgelehnt hatten, vollzog Hidalgo eine Wende und wollte von einem Bürgervotum auf breiter Basis nichts mehr wissen.
Linke Präsidentschaft wohl illusorisch
Alle drei haben der Initiativgruppe auch mitgeteilt, dass sie von der Wahlliste gestrichen werden wollen, was Initiativsprecherin Imer nicht tun will. Aber die Reaktion der etablierten Parteien werde viele Wählerinnen und Wähler in ihrem Politikverdruss bestätigen: «Denn im Grunde kämpfen die drei grossen Parteien auf der Linken vor allem um die Führungsrolle.»
Dies bedeutet auch, dass die grösseren Parteien auf der Linken den Kampf um die Präsidentschaft bereits aufgegeben haben und vor allem ihre Positionen für die Zeit danach festigen wollen.